Wort der Woche

Moderne Formen von Bioenergie

Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist Bioenergie weiterhin die wichtigste Form von Erneuerbarer Energie. Experten fordern nun einen Modernisierungsschub. 

Wenn man von Erneuerbarer Energie spricht, denken die meisten an Solar-, Wind- und allenfalls Wasserkraft. Übersehen wird dabei, dass Biomasse viel bedeutsamer ist: Laut Internationaler Energieagentur (IEA) steht Bioenergie weltweit für 55 Prozent aller Erneuerbaren Energien. In Österreich wird z. B. Raumwärme zu mehr als 40 Prozent und Fernwärme zu 51 Prozent aus Biomasse erzeugt, wie aus der aktuellen Neuauflage der „Basisdaten Bioenergie“ des Österr. Biomasseverbands hervorgeht (www.biomasseverband.at).

Dass Bioenergie aus unserem Bewusstsein verdrängt wurde, liegt wohl v. a. an der heftig geführten Teller-Tank-Debatte (Energiepflanzen stehen in Flächenkonkurrenz zu Lebensmitteln). Weitere Image-Minuspunkte lieferten traditionelle Holzfeuerungen, die als Feinstaub-Schleudern gelten, sowie die Tatsache, dass Holz nicht, wie früher oft behauptet wurde, völlig klimaneutral ist.

Die Verbannung von Biomasse aus unserem Denken ist aber laut der druckfrischen „Bioenergy Review 2023“ der IEA nicht gerechtfertigt. Darin haben 200 Fachleute aus aller Welt (mit maßgeblicher Beteiligung von TU Wien und IIASA Laxenburg) alles verfügbare Wissen zum Thema zusammengetragen (www.ieabioenergyreview.org). Bioenergie ist demnach ein „wichtiges Element im Kampf gegen den Klimawandel und zur Sicherung der Energieversorgung“. Das Potenzial liegt laut IEA bei rund 18 Prozent des globalen Energiebedarfs (derzeit: sechs Prozent). Man müsse sich aber von der traditionellen Nutzung – offenes Feuer – verabschieden und zu modernen Formen von Bioenergie umschwenken, wie etwa anaerobe Gärung (Biogas), Verflüssigung (Biosprit), thermochemische Vergasung (Biowasserstoff), Pyrolyse (Bioöl) usw.

Dass diese Technologien vielfach noch in den Kinderschuhen stecken, liegt laut IEA daran, dass das Thema sehr komplex ist. Neben großen Herausforderungen hinsichtlich nachhaltiger Gewinnung von Biomasse und Verfügbarmachen von organischen Abfällen machen den Entwicklern v. a. die derzeit noch höheren Kosten sowie technologische Schwierigkeiten zu schaffen. Große Hoffnungen ruhen auf „Bioraffinerien“ – das sind Anlagen, in denen Biomasse möglichst vollständig stofflich verwertet wird und nur die Reste zur Energiegewinnung herangezogen werden. Laut Schätzungen wäre es möglich, damit 17,5 bis 38 Prozent der heute aus Kohle, Öl und Gas hergestellten organischen Chemikalien auf bio-basierte Weise zu produzieren.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

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