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Loackers Rückzug aus der Politik: Der rechte Flügel ist gestutzt

 Gerald Loacker
Gerald Loacker APA
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Zehn Jahre kämpfte Gerald Loacker im Parlament als exponiertester Wirtschafts­liberaler der Neos zum Teil einsam für Pensionseinsparungen und gegen den Kammerstaat. Was der Abgang der Reizfigur vieler Linker für die Pinken bedeutet. 

Wäre der blaue Putsch von Knittelfeld nicht gewesen, wer weiß, vielleicht säße Gerald Loacker heute für die ÖVP im Nationalrat. Denn eigentlich war der Vorarlberger, der bereits 1999 für die Volkspartei kandidiert hatte, noch während der Periode als Nachrücker für einen Vorarlberger Abgeordneten vorgesehen – doch die Neuwahl nach der FPÖ-Implosion 2002 kam dem zuvor, Loacker musste ÖVP-intern gegen die Hauptschullehrerin Anna Franz antreten. Dabei vergriff er sich im Ton, er meinte in einem Interview, dass eine „junge Führungskraft“ wohl wesentlich geeigneter für den Job sei als eine 50-jährige Lehrerin.

Das könne man so nicht sagen, befand man in der ÖVP, also griff der Büroleiter des damaligen Landeshauptmannes, Herbert Sausgruber – ein gewisser Magnus Brunner, heute Finanzminister –, zum Hörer und teilte Loacker mit, dass das nichts mehr würde mit dem Mandat. Daraufhin saß Loacker zwar noch mehrere Jahre für die Schwarzen im Gemeinderat, 2012 folgte schließlich der Bruch zwischen der ÖVP und dem früheren Kartellbruder Loacker, er wechselte zur neuen Partei seines Landsmanns Matthias Strolz und saß seit dem Parlamentseinzug der Neos im Hohen Haus und in pinken Führungsriegen.

Seither ist er, der einstige Schwarze, der vielleicht streitbarste Pinke gewesen, Loacker wurde zur Reizfigur für nahezu alles, was links ist. Im Vorjahr erklärte Loacker der „Presse“, dass seine Partei „wirtschaftspolitisch immer noch der rechte Flügel im Nationalrat“ sei, und das hat zu weiten Teilen mit ihm zu tun. Kein Abgeordneter hielt in der laufenden Periode mehr Reden als er, keiner stellte mehr parlamentarische Anfragen; Loacker predigte all die Jahre unermüdlich die Notwendigkeit von Einsparungen bei den Pensionen, er trat gegen die populären Erhöhungen über der Inflationsrate auf und gegen allerlei Zusatzrenten; das Pensionssystem nannte Loacker schon vor zehn Jahren „schrottreif“. Die Vertretung durch die Kammern firmierte beim Vorarlberger als „Zwangsmitgliedschaft“, die abgeschafft gehöre, in der Diktion hört man das auch bei den Freiheitlichen so. Während der Corona-Krise stellte er sich offen gegen die von den Neos mitgetragene Impfpflicht, er gab dem rechten Onlinemedium „Exxpress“ ein Interview und so fort. Die Pensionsfokussierung brachte ihm und den Neos mancherorts Applaus ein – Kurzzeit-Sozialminister Walter Pöltner etwa bezeichnete ihn einmal als einzigen Lichtblick in der Pensionsdebatte –, doch mit seiner zugespitzten Politik stieß Loacker auch intern zunehmend auf Kritik. Nicht nur einmal hat man ihm ausgerichtet, er solle sich mit seinen in der breiten Masse unpopulären Pensionsansagen doch ein wenig zurückhalten.

Jetzt kündigte Loacker seinen Rückzug aus der Politik an, und zwar nicht ganz ohne Frust. Bei der nächsten Wahl werde er nicht mehr kandidieren, erklärte der Vorarlberger diese Woche. „Ich habe 2013 gesagt, ich bleibe zehn Jahre, und es hätte starke Argumente gebraucht, um zu sagen, ich halte das doch nicht ein.“ Diese Argumente gab es offenbar nicht. „Dazu kommt auch die Art, wie sich Politik generell entwickelt“, sie sei „zwischen Debatten über türkise Burger-Sager und rote Verfassungspläne zur Begrenzung der Teuerung derzeit kein interessantes Arbeitsfeld für Leute, die ernsthaft arbeiten wollen“, sagt Loacker. Im Parlament würden zunehmend Leute sitzen, die „auf dem freien Markt nie ihre Politikergehälter bekommen würden“.  

Loackers Rückzug wirft nun einmal mehr die Frage auf: Sind die Neos nach links gerückt? Parteichefin Beate Meinl-Reisinger verneint das stets, und sie hat den pinken Zentrismus lange Zeit damit begründet, dass man in Wien mit der SPÖ und in Salzburg mit der ÖVP koaliere. Doch die Koalition der Neos mit der ÖVP in Salzburg platzte nach dem Abschied aus dem Landtag, somit ist ihr einziger Allianzpartner nunmehr just die Wiener SPÖ. Wer sind nun also die Wirtschaftsliberalen bei den Neos, also jene, die eventuell auch ÖVP-Wähler anzusprechen vermögen? In der Partei wird auf diese Frage häufig Karin Doppelbauer genannt, auch der Abgeordnete Yannick Shetty oder – mittelfristig – Junos-Chefin Sophie Wotschke könnten die „Lücke“, die Loacker laut ­etlichen Pinken hinterlässt, füllen, heißt es. Sonst decke ohnehin Nikolaus Scherak die rechte Parteiflanke ab, erst unlängst habe er die Rolle einzementiert, indem er einer Ampelkoalition mit der SPÖ eine Absage erteilt hat, sagen Parteiinsider.

Und: Sepp Schellhorn, der sich wie Loacker gegen „Zwangsmitgliedschaften“ in Kammern ausspricht und einst auch für die ÖVP im Gemeinderat gesessen ist, dürfte ohnehin früher ins Hohe Haus zurückkehren als gedacht, und zwar noch in dieser Periode. Tritt nämlich ein Abgeordneter der Neos bei der nahenden EU-Wahl an vorderer Stelle an (und das gilt als fix), ist Schellhorn der Erste auf der Liste, der auf das frei werdende Mandat nachrückt.

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