Für ein großes Revue-Spektakel im Berliner Friedrichspalast holte Jean Paul Gaultier das große Glitzern auf die Bühne. 100 Millionane Kristalle von Swarovski funkelten, darunter das größte je in Wattens geschliffene Exemplar.
Ob es denn zulässig sei, nur wenige Tage nach den Hamas-Greueltaten in Israel eine solche Premiere zu feiern, fragte eingangs Berndt Schmidt das Berliner Premierenpublikum, und der Intendant des Friedrichstadtpalasts, zugleich Produzent der Revue „Falling/In Love“, gab sich gleich selbst die Antwort: Unbedingt, gerade in einem so völkerverbindenden Theater, dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unzähligen Nationen kommen und den unterschiedlichsten Glaubensrichtungen angehören würden.
Der Palast sei ein „ostdeutsches Haus“, betonte Schmidt, und sehe sich als solches zur Vermittlung berufen. Ausdrücklich begrüßte er die Berliner Ehrenbürgerin Margot Friedländer, 101-jährige Holocaust-Überlebende, mit der er, und natürlich das ganze Publikum, sich an jenem Abend besonders solidarisieren wolle.
Tags darauf titelte die „Berliner Zeitung“, hier wohl der emotionale Seismograf der Hauptstadt, dass „ganz Berlin verliebt in die Glitzershow“ sei. Hier dürften einige erleichtert aufgeseufzt haben, denn das Spektakel ist eines der Superlative: 14 Millionen Euro betrug das Produktionsbudget, 60 Prozent davon sollen durch 100.000 Tickets im Vorverkauf schon eingespielt worden sein. Für die Kostüme zeichnete der Pariser Couturier und bekennende Revuefan Jean Paul Gaultier verantwortlich – zum zweiten Mal für den Palast tätig.
Facettenreichtum
Auch die Kooperation mit Swarovski als bühnenreifem Kristallspezialisten begab sich auf eine Rekordjagd nach der anderen: 100 Millionen Kristalle aus Wattens wurden insgesamt verarbeitet (so auch in 280 der von Gaultier entworfenen Kostüme), 3300 Meter Kristallfäden aus einem bereits existierenden Vorhang spannte man als Teil des Bühnenbildes auf, 650 Kilogramm Kristallmasse glitzerten und funkelten. Das wuchtigste Exemplar, der drollig benannte „Innogl“ (kurz für „innovatives Glasteil), der sich gegen Ende von der Decke senkte, ist mit 180 Kilogramm der schwerste je in Wattens geschliffene Kristall.
So viel Gefunkel sollte ein lebensbejahendes Signal sein, war aus dem – etwas chaotisch organisierten – Palast zu vernehmen. Dasselbe wollte auch die Revue selbst für sich in Anspruch nehmen. Nach dem Handlungsstrang sollte man bei einem solchen Kulturprodukt wohl ohnehin nicht fragen, doch es geht bei „Falling/In Love“ um die Lebenskrise eines gehörlosen Jünglings („You“), der erst am Ende wieder zu seiner Partnerin („Me“) findet. Wie das zu den Irrwegen durch die „Diamond City“ passt, neben der selbst Las Vegas aussieht wie eine mittelalterliche Klause, ist manchmal etwas schwer nachzuvollziehen, am Ende aber auch wieder egal. Hauptsache, die Trapeze schwingen, die Salti der Akrobaten verleiten zu Beifallsstürmen, die tanzenden Beine fliegen hoch und das Licht bricht sich in den Facetten der Kristalle. Hier geht es um Musiktheater der Superlative, nicht die Subtilitäten der Hochkultur.
Compliance-Hinweis: Der Autor reiste auf Einladung von Swarovski nach Berlin.