Nathanaela Gmoser ist Schwester im Orden der Benediktinerinnen der Anbetung in Wien.
Orden

Wer geht heutzutage noch ins Kloster?

Früher galt es als Statussymbol, ins Kloster zu ziehen. Nur jene Familienmitglieder, die diszipliniert und strebsam waren, durften sich der Lehre Gottes widmen. Mittlerweile haben sich die Motive geändert, doch die Lebensform in der Ordensgemeinschaft genießt auch heute noch hohes Ansehen.

Für manche ist es die geistliche, göttliche Hingabe. Der Ruf Gottes. Für andere das Entkommen des alltäglichen Wahnsinns. Der Rückzug ins Kloster bietet vielen eine Möglichkeit, sich zurückzuziehen und sich wieder auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren. Dort angekommen, erwartet sie eine neue Gemeinschaft, Ordnung, ein bislang ungewohnter Rhythmus, Gebete. So beschreibt es zumindest die australische Autorin Charlotte Wood in ihrem neuen Roman „Tage mit mir“.

Der Titel ist Programm, denn es gäbe keinen anderen Ort, an dem die Konfrontation mit dem eigenen Verhalten intensiver sei. Auch wenn der erste Eindruck die Städterin mittleren Alters aus Sydney eher an ein Kurheim aus den Siebzigerjahren oder an eine Öko-Kommune erinnert, hat sie kein Rückfahrtticket, keinen Plan B. Wie lang der Aufenthalt im Kloster dauern würde, weiß sie im Vorhinein nicht. Ebenso wenig, wie sie vor Ort über den Tod ihrer Eltern hinwegkommen soll. Denn im Grunde vertraut sie weder in die übersinnliche Kraft Gottes noch hat sie sich jemals für ein Abendgebet zur Ruhe gesetzt. Nur eines steht für sie außer Frage: In ihrem Leben hat sich vieles grundlegend zu verändern.

„Bevor sie den Schritt in ein neues Leben wagt, ist die Protagonistin überfordert mit dem Rausch, der Hektik des Alltags”, erzählt Wood im Gespräch. Als Umweltaktivistin, die sich den jüngsten Schicksalsschlägen in ihrem Leben nicht gewachsen sieht, plagt sie das Gefühl, ohnmächtig zu sein – in Bezug auf Umweltkatastrophen, den Klimawandel und zuletzt ihr eigenes Leben. Ihre Eltern sterben, ihre Partnerschaft scheitert, ihre politischen Ambitionen verlaufen sich im (heißen) Sand. Aus dieser Not heraus sucht sie einen Kindheitsort auf.

Auch die Autorin kennt die Situation, sprichwörtlich zwischen zwei Stühlen zu sitzen. Oft findet sie sich in dem Spannungsverhältnis zwischen Aktivismus und Sehnsucht nach Ruhe wieder. „Die Ich-Erzählerin will das moralisch Richtige tun. Sie will weniger konsumieren und mehr spüren, sich nicht ständig über die Folgen ihrer Entscheidungen den Kopf zerbrechen. So geht es mir auch oft“, sagt Wood. Sie führt es darauf zurück, verlernt zu haben, in sich zu hören. „Unsere Unfähigkeit, still zu sein, wirkt sich auf unsere körperliche und mentale Gesundheit aus. Diese Reizüberflutung macht uns krank“, ist sie überzeugt. Mit ihrem Buch wolle sie Räume der Ruhe und Ordnung schaffen, neue Fragen aufwerfen.

Das Bedürfnis nach Ordnung kennt auch Nathanaela Gmoser. Die 36-Jährige ist Teil des Benediktiner-Ordens. In Wien zählen 21 Schwestern an zwei Standorten zur Gemeinschaft. Vor 15 Jahren entdeckte sie, worin ihre wahre Berufung liegt. Seither lebt sie dem Kloster, betet mehrmals täglich und geht ihrer Tätigkeit als Berufungscoach nach. „Der Dreiklang aus Gebet, Arbeit und Lesung führt mich durch den Alltag, gibt mir Halt und Stabilität“, erzählt sie. Darin die Balance zu halten, gibt die Ordnung fürs Leben vor. Während in Woods Buch der Wunsch zentral ist, Ruhe zu finden, warnt die Ordensschwester vor Trugschlüssen. „Wir sind sehr aktiv. Es ist falsch, zu glauben, man könne im Kloster vor sich selbst weglaufen. Wichtig ist, im Vorhinein zu wissen: Will ich mich mir selbst stellen? Dafür haben wir gute Möglichkeiten. Wunden, die da sind, dürfen heil werden.“

Schwester Nathanaela Gmoser hat sich dem Benediktiner-Orden angeschlossen.
Schwester Nathanaela Gmoser hat sich dem Benediktiner-Orden angeschlossen.Jana Madzigon

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.