In der Ferne Forschen

Mit Hitze, Kälte und Dreck zurechtkommen

Agnes Dellinger (l.) arbeitet in den tropischen Ländern immer mit Kooperationspartnern zusammen.
Agnes Dellinger (l.) arbeitet in den tropischen Ländern immer mit Kooperationspartnern zusammen.Sornoza
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Agnes Dellinger forscht seit 13 Jahren in den Regenwäldern Südamerikas. Sie entdeckt stets Neues über Blüten und ihre Bestäuber. Im Dschungel steht sie in der Früh oft vor den Bienen auf, und sie weiß mit Bürokratie umzugehen.

„Ich wollte nie in die Tropen. Ich wollte in den Alpen forschen“, sagt Agnes Dellinger, Assistenzprofessorin für Tier-Pflanze-Interaktionen an der Uni Wien. Ein Praktikum im Botanikstudium brachte den Umschwung. In den Semesterferien 2010 fuhr sie auf die beliebte Exkursion nach Costa Rica, zur Forschungsstation La Gamba im Regenwald der Österreicher. Dort lernte sie nicht nur das Leben im Dschungel kennen, sondern auch die Pflanzen, mit denen sie bis heute arbeitet. Schwarzmundgewächse (Melastomataceae) sind eine enorm vielfältige Familie tropischer Pflanzen mit fast 6000 Arten auf allen Kontinenten.

„Schon damals ging es um die Frage der Bestäubung bei diesen Pflanzen in Costa Rica“, erzählt Dellinger, die im September einen ERC-Starting-Grant des Europäischen Forschungsrates bekam. Als junge Studentin zog sie in La Gamba um vier Uhr früh los, für jeweils eine Stunde Fußweg zu den Pflanzen ihrer Forschungsfrage: „Um vor den Bienen dort zu sein, die mit Sonnenaufgang starten.“

Vibrieren schüttelt Pollen raus

Dellinger beobachtete das auffällige Verhalten der „Vibrationsbestäubung“, das in unseren Breiten auch z. B. von Hummeln bekannt ist: Die Bestäuberin kriecht in die Blüte hinein und macht laute Summgeräusche. Das klingt fast wie ein vibrierendes Handy. So rüttelt die Wildbiene die volle Ladung Pollen aus der Blüte. Auch in den Tropen machen das vor allem die großen Bienen wie Hummeln, Holzbienen oder stachellose Melipona – aber nicht die Honigbienen.

„Wir stellen die evolutionäre Frage: Wie entsteht so eine spezialisierte Bestäubung?“, sagt Dellinger. Wie passen sich die Pflanzen an die Tiere und umgekehrt an? „Die Action in der Feldforschung hat mich nicht mehr losgelassen“, sagt Dellinger, die seither mindestens einmal im Jahr eine Exkursion in diverse Regenwälder schafft.

Nach Costa Rica folgten Ecuador, Brasilien, Peru und Kolumbien sowie Feldforschung in einigen europäischen Ländern, auch in Österreich. Im ERC-Projekt stehen nun auch Borneo in Südostasien und Madagaskar auf dem Plan. Die asiatischen und afrikanischen Schwarzmundgewächse sind hinsichtlich ihrer Bestäubungsbiologie besonders wenig erforscht.

Heute fast überall Internet

Heuer im Oktober gewann Dellinger für ihre Arbeiten in der Feldforschung den internationalen „Field Biology Award“. Sie rät ihren Studierenden vor Exkursionen: Man muss resistent gegen Dreck und unangenehme Bedingungen sein. Hitze, Kälte, kaum trocknendes Gewand und Moskitos schlagen manchen aufs Gemüt, sowie die Abgeschiedenheit von Familie und Freunden – obwohl sich bei Telefon- und Internetverbindungen inzwischen viel getan hat.

Die wildeste Erfahrung war bisher die Reise in den Dschungel von Zentralecuador, abseits von befestigten Forschungsstationen, in denen man sonst von Köchen und Guides versorgt wird. Eine Woche mit Rucksack und Übernachtungen in der Hängematte unter dem Gelsennetz. „Mit meiner Kollegin Diana Fernández vom Herbarium in Quito sind wir in Regionen vorgedrungen, wo vor uns noch wenige Botaniker waren“, erzählt Dellinger. Die Forscherinnen fanden dabei zwei bisher unentdeckte Arten dieser Pflanzenfamilie, die sie als Erstbeschreibungen festhielten.

Auf die Frage, ob die Namenssuche bei der neuen Pflanzenart leichter fiel als beim eigenen Baby, lacht Dellinger, die gerade hochschwanger im Mutterschutz ist: „Ja, denn wir haben eine Geldgeberin, die dieses Stück Regenwald für den Naturschutz gekauft hat, in den Pflanzennamen verewigt – Meriania ardyae und Meriania zunacensis heißen die Pflanzen jetzt.“

Eine Wildbiene bestäubt die Blüten im Regenwald von Costa Rica.
Eine Wildbiene bestäubt die Blüten im Regenwald von Costa Rica.Dellinger

Nicht nur Bienen bestäuben diese vielfältigen Gewächse, sondern auch Vögel, Fledermäuse und kleine Nager. „Ebenfalls in Ecuador haben wir eine bisher unbekannte Mausart gefunden – die exakte Bestimmung steht noch aus.“ So unterschiedlich die Blütenbesucher, so divers sind auch die Blütenformen und Blühzeiten der Melastomataceae. „Klimatische Bedingungen spielen stark mit: Im feuchten, kalten Bergwald sind eher Kolibris und Fledermäuse die Bestäuber, in warmen Tieflagen mehr Insekten.“

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