Wien

Karl Schwarzenberg ist gestorben: Ein großer Europäer der alten Schule 

Er war Nachkomme der berühmten Adelsfamilie: Karl Schwarzenberg. Nach dem kommunistischen Putsch im Februar 1948 wurde die Familie enteignet und ging nach Österreich. 
Er war Nachkomme der berühmten Adelsfamilie: Karl Schwarzenberg. Nach dem kommunistischen Putsch im Februar 1948 wurde die Familie enteignet und ging nach Österreich. imago stock&people
  • Drucken
  • Kommentieren

Tschechiens früherer Außenminister Karl (Karel) Schwarzenberg ist tot. Er brachte 1989 Noblesse und politische Weitsicht aus dem Exil zurück nach Prag. Dort wirkte er an der Seite Václav Havels, bis er selbst um ein Haar Präsident wurde.

Vor wenigen Tagen erst, am 28. Oktober, dem Jahrestag der Gründung der Tschechoslowakei, verlieh ihm Präsident Petr Pavel den höchsten Orden Tschechiens. Karl Schwarzenberg konnte die Ehrung aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst entgegen nehmen. Zu diesem Zweck reiste sein Sohn nach Prag. 

Schwarzenberg, der „Fürst“, wie die Tschechen den berühmten Adelsspross liebevoll nannten, war seit Längerem krank, vor allem Herz und Nieren plagten ihn. Vor ein paar Tagen wurde der 85-Jährige von Prag aus in ein Krankenhaus nach Wien gebracht. Begeistert war er davon nicht. Er glaube nicht, dass es in Österreich bessere Ärzte als in Tschechien gebe, äußerte er in einer patriotischen Aufwallung. Aber, so fügte der „Fürst“ hinzu, auf diese Weise könne er wenigstens seine Familie öfter sehen.

Mit Schwarzenberg verlässt eine der letzten großen politischen Gestalten die Bühne in Prag. Es war ein großes Glück für das Land, dass er Ende 1989 dem Ruf von Václav Havel folgte und als dessen Kanzler auf der Prager Burg half, im Nachbarland nach Jahrzehnten kommunistischer Unrechtsherrschaft neuerlich Freiheit und Demokratie zu etablieren. 

Handkuss und Fliege

Schwarzenberg brachte neben politischer Weitsicht über den nationalen Tellerrand hinaus die bis dahin im tschechoslowakischen Arbeiter- und - Bauernstaat so sehr vermisste Noblesse aus dem Wiener Exil zurück. Eines des äußeren Anzeichen: der „Fürst“ führte an der Moldau wieder den Handkuss sowie als spezielles Accessoire die Fliege neu ein. Sehr wohl fühlte er sich aber auch in einer gewöhnlichen tschechischen Kneipe beim Bier, gern umgeben von jungen hübschen Frauen. 

Vor 1918 gehörten die Schwarzenbergs zu den reichsten Familien Europas. Neben 200.000 Hektar Land besaß die Familie auch mehr als ein Dutzend Schlösser in Österreich, Böhmen und Deutschland. 1941 wurde der Besitz von den Nationalsozialisten enteignet, nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch teilweise zurückgegeben. Die 1948 an die Macht gewählten Kommunisten beschlagnahmten das Eigentum, das erst nach 1990 teilweise restituiert wurde. Ein knappes Jahr nach der Machtergreifung der Kommunisten verließ die Familie die Heimat und emigrierte nach Österreich.

Dort studierte der junge Adlige Jura und Forstwissenschaften, ohne abzuschließen und kümmerte sich zunehmend um die Besitztümer außerhalb von Böhmen. Frühzeitig begann Schwarzenberg zudem, sich mit Politik zu befassen. Er unterstützte den Widerstand gegen das kommunistische Regime in seiner Heimat, später engagierte er sich auf internationaler Ebene für verfolgte Menschenrechtler. Ein Thema, das ihn auch nach seiner Rückkehr nach Prag begleiten sollte - an der Seite Havels und vor allem auch als zweimaligen Außenminister. 

Auch innenpolitisch vermochte Schwarzenberg seine Popularität fortlaufend zu steigern, engagierte sich auch parteipolitisch in der konservativen TOP 09, der er einige Jahre vorstand. Sein Ansehen brachte ihn dazu, 2013 an den Präsidentschaftswahlen in Tschechien teilzunehmen. Im ersten Wahlgang erhielt er den zweithöchsten Stimmenanteil und unterlag in der folgenden Stichwahl nur knapp dem früheren sozialdemokratischen Premier Miloš Zeman.

Das Staatsoberhaupt wurde seinerzeit erstmals direkt vom Volk gewählt, nicht mehr von dem beiden Kammern des Parlaments. Das führte zu einem harten Wahlkampf, in dem Zeman überraschend die „deutsche Karte“ zog und die Wähler erfolgreich mit der völlig aus der Luft gegriffene Behauptung verunsicherte, unter einem Präsidenten Schwarzenberg drohe der Ausverkauf des Landes an die nach dem Zweiten Weltkrieg kollektiv vertriebenen Sudetendeutschen. 

Schwarzenberg blieb auch nach der Niederlage in der Politik und war bis zum Schluss ein geschätzter Analytiker weltpolitischer Entwicklungen. 

Mitte der zu Ende gehenden Woche sahen sich die Wiener Ärzte veranlasst, den prominenten Patienten in ein künstliches Koma zu versetzen. Am Samstag schließlich ist Karl Schwarzenberg im Spital im Kreis seiner Familie gestorben. 

Zur Person

1937
Karl Schwarzenberg wird am 10. Dezember in Prag geboren. 1948, nach der Machtüberübernahme der Kommunisten, muss er mit seiner Familie aus der Tschechoslowakei nach Österreich fliehen.

1990
Der Adelige wird ein paar Monate nach der Samtenen Revolution in Prag Leiter der Präsidentschaftskanzlei von Václav Havel.

2007
Die Grünen nominieren Schwarzenberg als Außenminister im Kabinett Topolanek. 2009 wird er Chef der liberalen Partei Top 09. Ein Jahr später bekleidet er abermals das Amt des Außenministers – bis 2013. Russland hat 2015 ein Einreiseverbot gegen ihn verhängt.

Gastchefredakteure Lila & Karl

Karl Schwarzenberg gestaltete gemeinsam mit seiner Tochter Lila und der „Presse“-Redaktion die diesjährige Jubiläumsausgabe der „Presse am Sonntag“.

Cover der 14. „Presse am Sonntag“-Jubiläumsausgabe mit den Gastchefredakteuren Lila und Karl Schwarzenberg
Cover der 14. „Presse am Sonntag“-Jubiläumsausgabe mit den Gastchefredakteuren Lila und Karl SchwarzenbergDie Presse

>> Hier zum Nachlesen <<

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.