Der ökonomische Blick

Ist Geoengineering die goldene Lösung für die Klimakrise?

Als dritte Klimastrategie wird inzwischen auch Geoengineering, also etwa die Aufforstung von Wäldern, diskutiert.
Als dritte Klimastrategie wird inzwischen auch Geoengineering, also etwa die Aufforstung von Wäldern, diskutiert.Imago/M. Henning
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Das internationale politische Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 bis zwei Grad Celsius zu begrenzen, rückt zunehmend in weite Ferne. Könnte die Strategie des Geoengineerings die Wende bringen?

Inzwischen ist es (mit wenigen Ausnahmen) allgemein akzeptiert, dass der Klimawandel menschengemacht ist und unaufhörlich voranschreitet (IPCC 2023). Das internationale politische Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 bis zwei Grad Celsius zu begrenzen, rückt zunehmend in weite Ferne. Viele Klimaforscher gehen davon aus, dass bald ein Kipppunkt erreicht sein wird, der mit dramatischen und nicht beherrschbaren Umweltschäden einhergehen wird.

Die derzeitige Debatte auf nationaler und internationaler Ebene über die Verträglichkeit von Klimaschutzmaßnahmen, Energiepreisen, Energiearmut und Wirtschaftswachstum lässt wenig Hoffnung aufkommen, dass eine Trendwende möglich ist. Der Anstieg der Treibhausgasemissionen in der Vergangenheit trotz des Rahmenabkommens zum Klimaschutz (1992), des Kioto-Protokolls (1997) und des Pariser Klimaabkommens (2015) spricht Bände.

Was ist „Der ökonomische Blick“?

Jede Woche gestaltet die Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) in Kooperation mit der „Presse“ einen Blogbeitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Investition in den Klimaschutz ist individuell irrational

Aus theoretischer Sicht lässt sich dieses Versagen leicht erklären. Emissionsvermeidungsmaßnahmen stellen ein öffentliches Gut dar. Nicht nur das Land, das die Emissionen vermeidet, profitiert, sondern alle Staaten. Da die individuellen Kosten den individuellen, aber nicht den globalen Nutzen überschreiten, ist es zwar global, aber nicht individuell rational, in den Klimaschutz zu investieren. Diese Freifahrerproblematik (engl. free-riding) wird im Klimaschutz noch dadurch verstärkt, dass der Nutzen in der Zukunft liegt, die Kosten aber unmittelbar anfallen, sodass die globale Rationalität einen Zeithorizont von 50 bis 100 Jahren erfordern würde, die individuelle Rationalität von Produzenten, Konsumenten und Politikern beruht jedoch auf einem wesentlich kürzeren Kalkül.

Vor dem Hintergrund zunehmender realer Klimaschäden (Überschwemmungen, Dürren und Tornados) wird deshalb schon lang über Anpassungsstrategien diskutiert. Diese reduzieren zwar nicht die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, helfen aber kurz- bis mittelfristig, sich an die globale Erderwärmung anzupassen. Anpassungsstrategien haben jedoch zwei Nachteile. Erstens generieren sie keinen Mehrwert für andere Staaten, sie sind ein privates und kein öffentliches Gut. Zweitens kann ein Euro nur einmal ausgegeben werden: Anpassungs- ersetzen teilweise Vermeidungsmaßnahmen, sie sind Substitute. Inzwischen sind Anpassungsmaßnahmen sowohl Teil von fast jeder Kosten-Nutzen-Analyse zu Klimaschutzinvestitionen auf nationaler und internationaler Ebene (IPCC 2022a) als auch der spieltheoretischen Analyse der Stabilität von Klimaabkommen (Bayramoglu et al. 2018).

Ebenfalls verwundert es nicht, dass inzwischen auch eine dritte Klimastrategie diskutiert wird: Geoengineering (Wagner 2023). Dieser Begriff umfasst zwei Bündel von Maßnahmen. Carbon Dioxide Removal (CDR) und Solar Radiation Management (SRM). CDR sind Maßnahmen, die der Atmosphäre Treibhausgase entziehen. Dies geschieht entweder durch die Aufforstung von Wäldern oder durch die Installation von „Saugmaschinen“ mit der anschließenden Deponierung der Treibhausgase in der Erde. Während die erste Option unstrittig ist, ist die zweite Option mit einem gewissen Risiko verknüpft: Leckt eine Deponie, ist das frei werdende CO2 in unmittelbarer Umgebung für Menschen tödlich. Dem Nutzen stehen also auch mögliche kollaterale Schäden entgegen. Interessant ist, dass CDR inzwischen Teil des optimalen Mix von fast jeder Kosten-Nutzen-Analyse ist, die Prognosen erstellt, wie wir das Zwei-Grad-Ziel noch erreichen können (IPCC 2022b).

Kritiker warnen vor hohen Kollateralschäden

Dahingegen ist SRM noch eine Zukunftstechnologie, die ihren Ausgang in der Beobachtung von Vulkanausbrüchen hat, bei denen es durch die Verdunklung der Sonne zu einer kurzfristigen Abkühlung der Temperatur kommt. Idee ist es, dieses Phänomen künstlich durch das Versprühen von Schwefel in der Stratosphäre zu erzeugen, also eine ingenieurtechnische und chemische Manipulation des Klimas. Die Befürworter dieser Technologie weisen darauf hin, dass dies die einzige derzeit verbleibende Technologie ist, mit der die Klimakatastrophe noch vermieden werden kann, und das bei sehr geringen Produktionskosten. Die Kritiker warnen, dass das Risiko kollateraler Schäden sehr hoch ist und diese Schäden irreversibel sein könnten (Wagner 2023).

Aus anreizökonomischer Sicht können die folgenden Punkte festgehalten werden. Erstens wird hier das Übel, wie bei Anpassungsstrategien, nicht an der Wurzel gepackt, sondern es können nur die Auswirkungen des Klimawandels verringert werden. Zweitens stellt SRM ein Substitut für Emissionsvermeidung dar, der Druck auf die internationale Gemeinschaft, Treibhausgase zur verringern, vermindert sich. Drittens ist das derzeitige Zwei-Grad-Ziel mittels Emissionsreduktion Teil einer „Versicherungsstrategie“: Umweltschäden können nicht vermieden werden, aber die dadurch entstandenen Risiken auf ein Maß begrenzt werden, das im Hinblick auf eine Kosten-Nutzen-Analyse rational ist. SRM reduziert dieses Risiko nicht, sondern erhöht es. Viertens transformiert SRM „free-riding“ in „free-driving“ (Weitzman 2015).

Staaten müssen nicht daran erinnert werden, ihren fairen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, sondern einzelne Staaten müssen darin gehindert werden, das Klimaproblem allein mithilfe von SRM vermeintlich zu lösen. Die Verzweiflung über den Fortgang internationaler Bemühungen, das Klimaproblem in den Griff zu bekommen, wie auch die weitverbreitete Technikgläubigkeit, alle Umweltprobleme ausschließlich mithilfe neuer Technologie lösen zu können, lassen Schlimmes ahnen. Auch der „innovativen“ Idee, SRM als Drohstrategie zu nutzen, um Vermeidungsmaßnahmen verbindlich durchsetzen zu können, sind enge Grenzen gesetzt (Finus und Furini 2023). Werden die kollateralen Schäden durch SRM als gering erachtet, ist es rational, SRM zu nutzen. Werden die kollateralen Schäden als erheblich betrachtet, verliert die Drohung an Glaubwürdigkeit. Welcher vertragskonforme Staat würde einen Freifahrer durch die Implementierung von SRM bestrafen, wenn er davon ausgeht, dass er selber erheblich darunter leidet? Oder müssen wir uns vorstellen, dass die Drohung, sich mit SRM-Maßnahmen gegenseitig zu schädigen, ähnlich der nuklearen Abschreckung funktioniert? Fortschritte beim Klimaschutz könnten dieses Horrorszenario vermeiden.

Der Autor

Michael Finus ist Professor für Klima- und Umweltökonomie an der Karl-Franzens-Universität Graz und beschäftigt sich mit der Ausgestaltung von internationalen Umweltverträgen und deren Institutionen, um die Kooperationsbereitschaft zwischen Staaten zur stärken und den Erfolg bei der Bekämpfung globaler Umweltprobleme zu erhöhen. 

Referenzen

Bayramoglu, B., M. Finus and J.-F. Jacques (2018), Climate Agreements in a Mitigation-Adaptation Game. „Journal of Public Economics”, vol. 165, pp. 101–113.

Finus, M. und F. Furini (2023), Global Climate Governance in the Light of Geoengineering: A Shot in the Dark? „Journal of Environmental Economics and Management”, vol. 122, 102854.

IPCC (2023), AR6, Synthesis Report: Climate Change 2023.

IPCC (2022), AR6, Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Working Group II.

IPCC (2022), AR6, Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. Working Group III.

Wagner, G. (2023), Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln? Das riskante Spiel, mit Geoengineering die Klimakrise aufhalten zu wollen.
Weitzman, M.L. (2015), A Voting Architecture for the Governance of Free-Driver Externalities, with Application to Geoengineering. „The Scandinavian Journal of Economics”, vol. 117 (4), pp. 1049–1068.

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