Außenpolitik

Einer, der immer Klartext spricht: Der letzte EU-Auftritt von Jean Asselborn

Asselborn (Mitte) im Gespräch mit seinen Amtskolleginnen aus Deutschland (links: Annalena Baerbock) und der Schweiz (rechts: Dominique Hasler).
Asselborn (Mitte) im Gespräch mit seinen Amtskolleginnen aus Deutschland (links: Annalena Baerbock) und der Schweiz (rechts: Dominique Hasler).Imago / Florian Gaertner
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Europa verabschiedet mit dem luxemburgischen Außenminister einen Politiker, der mit seiner Meinung nie hinter dem Berg hielt. Dutzende Minister und noch mehr Staats- und Regierungschefs hat Asselborn in seiner Amtszeit kommen und gehen sehen.

Trotz aller Krisen und Kriege: „Europa ist immer noch da!“ Mit diesen Worten verabschiedet sich Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn von der europäischen Bühne. Der 74-Jährige nahm am Montag letztmals an einem EU-Treffen in Brüssel teil, am Freitag soll im Großherzogtum sein Nachfolger vereidigt werden. Die EU verliert mit Asselborn nicht nur ihren dienstältesten Außenminister, sondern auch einen, der immer Klartext sprach.

Fast 20 Jahre lang bereiste Asselborn im Auftrag Luxemburgs die Welt, an mehr als 200 EU-Ministerräten nahm er teil. „Die EU existiert immer noch, und das ist ja schon einmal was“, sagt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. „Nach der Finanzkrise waren wir alle noch beisammen“, und selbst nach dem Brexit hätten sich die Befürchtungen eines Zusammenbruchs der EU nicht bewahrheitet.

Dutzende Minister und noch mehr Staats- und Regierungschefs hat Asselborn kommen und gehen sehen. Als er am 30. Juli 2004 ins Amt kam, hieß der deutsche Außenminister noch Joschka Fischer (Grüne). Seitdem hat es in Berlin fünf weitere Chefdiplomaten gegeben und mit Annalena Baerbock seit fast zwei Jahren erstmals eine Diplomatin.

Asselborn vertrat Luxemburg stets laut und sichtbar

Baerbock und Asselborn können gut miteinander. Vor gut einem Jahr sagten sie in einem Doppel-Interview dem „Spiegel“, sie hätten eine Art Rollenteilung vereinbart. Sie könne mit dem erfahrenen Luxemburger „gut über Bande spielen“, sagte Baerbock. Asselborn ergänzte: „Es gibt Themen, über die ein Luxemburger klarer sprechen kann.“

Besonders gut lässt sich dies im Nahost-Krieg beobachten: Während Baerbock mit Rücksicht auf die historische deutsche Verantwortung für Israel vieles diplomatisch formulieren muss, kann Asselborn die Dinge beim Namen nennen. „Krankenhäuser dürfen kein Schlachtfeld sein“, ermahnte er diese Woche etwa Israel, dem die Hamas-Miliz Luftangriffe auf Kliniken im Gazastreifen vorwirft.

Mit seinen nur rund 640.000 Einwohnern sei Luxemburg zwar ein kleines Land, sagt Asselborn. Aber es liege im Herzen Europas und könne damit zwischen seinen großen Nachbarn vermitteln. „Ein Luxemburger schaut nachmittags deutsches Fernsehen und abends französisches“, erzählt er.

„Ohne Frankreich und Deutschland kämen wir nicht voran“

„Wir entscheiden und die Deutschen zahlen“ - diese Devise habe zu Beginn seiner Amtszeit noch gegolten, erinnert sich Asselborn an einen Ausspruch, der dem damaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac zugeschrieben wurde. Das habe sich grundlegend geändert. „Ohne Frankreich und Deutschland kämen wir nicht voran“, sagt der Sozialdemokrat von der Lëtzebuerger Sozialistesch Aarbechterpartei (LSAP), der in Brüssel oft mit rotem Schal vor die Kameras trat.

Asselborn ist ein echter Autodidakt. Als 18-Jähriger arbeitet er in einer Reifenfabrik und holt an der Abendschule seinen Abschluss nach. Danach ist er zunächst in der Verwaltung eines Krankenhauses seiner Heimatgemeinde Steinfort tätig. Im Jahr 1984 zieht er für die Sozialdemokraten in die luxemburgische Abgeordnetenkammer ein, Ende Juli 2004 wird er Außenminister.

EU von 15 auf 28 gewachsen - und auf 27 geschrumpft

In seinen fast zwei Jahrzehnten im Amt ist die EU von 15 auf 27 Mitglieder angewachsen - vor dem Brexit waren es sogar 28 Länder. Nicht alle haben Asselborns Sympathie. Ungarn hält er sogar „zu hundert Prozent für undemokratisch“. Das liege unter anderem an der harten Flüchtlingspolitik von Regierungschef Viktor Orbán, sagt Asselborn, der seit 2014 auch Minister für Einwanderung und Asyl ist. Auch gegenüber Österreich war Asselborn stets für Kritik zu haben. Zuletzt nannte er Österreichs Veto gegen einen Schengen-Beitritt von Rumänien „uneuropäisch“.

Für junge Europäer hat Asselborn einen Rat: „Ihr dürft bei unseren Werten keinen Millimeter nachgeben, wenn gewisse Länder sie unterlaufen wollen.“ Sonst werde Europa „verschwinden“, warnt er.

Ein kleiner Trost bleibt der EU auch nach Asselborns Abgang. Als aussichtsreichster Nachfolger gilt der bisherige Regierungschef Xavier Bettel, der die Liberalen nun in eine Koalition unter dem Christsozialen Luc Frieden führt. Auch der 50-jährige Bettel ist bekannt als einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt. (APA/AFP)

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