Justiz

Flucht-Risiko: Zahl der Häftlingsfahrten zum Arzt explodiert

Immer mehr Gefangene müssen zum Arzt transportiert werden.
Immer mehr Gefangene müssen zum Arzt transportiert werden.APA/Barbara Gindl
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Die Zahl der Transporte von Haftinsassen in Spitäler, Ambulatorien oder Ordinationen ist rapid gestiegen, klagt die Gewerkschaft der Justizwache. Wie das jüngste Beispiel zeigt: Ein Fluchtrisiko ist stets dabei.

„Jeden Tag gibt es Hunderte Ausfahrten von Gefängnisinsassen zu Ärzten, in Krankenhäuser oder Ambulatorien. Die Zahl dieser Ausfahrten ist rapide angestiegen. Jede Bewegung im Freien ist ein Risiko.“

Das erklärte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Justizwachebeamten, Albin Simma, am Donnerstag im Gespräch mit der „Presse“. Anlass: die jüngste Flucht eines wegen schweren Raubes Verurteilten während eines Besuchs bei einem Facharzt.

Dieser sei von zwei Beamten der Einsatzgruppe, einer Sondereinheit der Justizwache, begleitet worden. Es sei ihm auch eine Handfessel angelegt gewesen – und der Stein-Häftling konnte dennoch flüchten, so Albin Simma. Derartige Vorfälle seien zwar sehr bedauerlich, könnten aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Mit der eklatanten Unterbesetzung in der Justizwache habe das weniger zu tun. Er nennt aber einen in der Öffentlichkeit bisher wenig registrierten anderen Umstand: den Ärztemangel, der auch in den Justizanstalten spürbar sei. Damit erklärt er auch die deutliche Steigerung medizinisch bedingter Ausfahrten von Häftlingen. Und die seien eben mit einem gewissen Risiko behaftet.

„Schlag ins Gesicht“

Der Vize-Gewerkschaftschef der Justizwachebeamten, Christian Kircher, äußert sich ähnlich. In der Tatsache, dass innerhalb einer Woche drei Gefängnisinsassen geflüchtet beziehungsweise entwichen seien, sieht er eine „seltsame Kumulierung“ von Fällen. Aber das Grundproblem, der eklatante Personalmangel, bleibe.

Dabei wird jetzt die Justizwache doch um zehn Planstellen aufgestockt – bei derzeit ungefähr 3300 Mitarbeitern insgesamt. Der Gewerkschafter Christian Kircher ist diesbezüglich nicht besonders gut auf seine Chefin, die grüne Justizministerin, Alma Zadić, zu sprechen: „Zehn Planstellen, das ist ein Schlag ins Gesicht der Beamten“, meint der SPÖ-Gewerkschafter.

Und überhaupt sind laut Ober-Gewerkschafter Albin Simma von den 3300 Planstellen auf dem Papier derzeit in der Realität viele unbesetzt. Eine Pensionierungswelle der Babyboomer mache auch der Justizwache zu schaffen. Albin Simma: „Wir tun uns schwer mit Rekrutierungen. Der Gesetzgeber wird sich dazu entschließen müssen, die Entsoldung zu erhöhen.“

Razzien in Gefängnissen

Aus dem Justizministerium heißt es, an alle Justizanstalten habe es die Anweisung gegeben, „medizinische Eskorten bis auf Weiteres nur unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen“. Am Mittwoch seinen im Rahmen einer Schwerpunktaktion bundesweit in 21 Justizanstalten Hafträume durchsucht worden.

„Dabei wurde auch nach Gegenständen, die zur Vorbereitung von Fluchten genutzt werden können, gesucht“, heißt es aus dem Justizressort von Ministerin Alma Zadić.

»„Das ist ein Schlag ins Gesicht der Beamten.“«

Christian Kircher

Gewerkschaft Justizwache

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