Wort der Woche

Plastik ohne Ende

Die Plastikvermüllung der Erde zu stoppen, ist kein einfaches Unterfangen. Besseres Abfallmanagement und mehr Recycling sind dafür jedenfalls nicht ausreichend. 

Seit ihrer Erfindung vor exakt 116 Jahren (Bakelit, 1907) erleben Kunststoffe aufgrund ihrer genau steuerbaren Eigenschaften und des günstigen Preises einen ungebrochenen Erfolgslauf: Laut Prognosen wird sich die Jahresproduktion bis 2050 auf eine Mrd. Tonnen verdoppeln. Heute sind uns freilich auch die Schattenseiten klar – und um dem fortschreitenden Zumüllen der Erde mit Plastikabfall Einhalt zu gebieten, arbeitet die UNO derzeit an einem internationalen Abkommen. Dass dies nicht einfach ist, zeigte sich einmal mehr diese Woche bei einer Verhandlungsrunde in Nairobi. Das Problem liegt nicht nur an großen Interessensgegensätzen zwischen Staaten und Industriezweigen, sondern auch daran, dass die Sache an sich höchst komplex ist – mit einem vielschichtigen Produktlebenszyklus und unzähligen Einflussfaktoren.

Experten der OECD haben nun versucht, all diese Faktoren in einem Modell darzustellen und daraus Szenarien für die Verminderung des Plastikmülls zu entwickeln. Demnach kann eine einseitige Fokussierung auf das Abfallmanagement (Sammlung und Recycling) die Plastikvermüllung nicht stoppen. Eine weitestgehende Eliminierung wäre nur durch ein koordiniertes Vorgehen erreichbar, in dem das Recycling vervielfacht und gleichzeitig die Plastikproduktion nicht mehr weiter steigt (www.oecd.org/environment/plastics).

Zu einem ähnlichen Schluss, aber mit anderer Argumentation, gelangte auch eine internationale Forschergruppe um Marvin Bachmann (RWTH Aachen): Untersucht wurde, unter welchen Voraussetzungen die Plastikwirtschaft innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen (etwa hinsichtlich CO2-Ausstoß, Lebensraumverlust oder Müll) bleiben könnte. Das Ergebnis: Selbst eine zirkuläre, klimaoptimale Kunststoffindustrie, die die derzeitigen Recyclingtechnologien mit der Nutzung von Biomasse kombiniert, würde die Nachhaltigkeitsschwellenwerte deutlich überschreiten. Und auch ein verbessertes Recycling könne den prognostizierten Anstieg der Kunststoffnachfrage nicht kompensieren (Nature Sustainability 6, 599).

Die klare Folgerung: Um das Zumüllen der Erde zu beenden, muss man zusätzlich zum Recycling auch bei der Verwendung von Plastik ansetzen. Allerdings – und das verkompliziert die UN-Verhandlungen weiter – ist unklar, wie man die Nachfrage nach Kunststoffen tatsächlich vermindern könnte. Damit hat man, im Gegensatz zur Optimierung der Abfallbehandlung, überhaupt keine Erfahrung.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

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