Konzert

Shirin David und ihr „Hard-Bitch-Style“ in Wien

Konzertfotos erlaubt Shirin David oft nicht. Sie ist auf der Bühne übrigens auch gekleidet wie hier im Bild: beinahe wie für eine Cocktailparty.
Konzertfotos erlaubt Shirin David oft nicht. Sie ist auf der Bühne übrigens auch gekleidet wie hier im Bild: beinahe wie für eine Cocktailparty.Getty Images
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Feministin oder geldgierige Provokateurin? Oder gar beides? Rapperin Shirin David demonstrierte vor 10.000 begeisterten Fans in der Wiener Stadthalle, dass ihr „Hard-Bitch-Style“ ein Sound auf der Höhe der Zeit ist.

Es gäbe viel zu kritisieren an so radikal kommerziell orientierten Erscheinungen wie Shirin David. Kann jemand, der Jahre vor dem ersten, eigenen Album als Social-Media-Star für einen Bravo-Otto nominiert war, als Künstlerin angesehen werden? Auch den patinierten Bambi gewann sie ohne herkömmliches Werk. „Herself“ steht da in der Rubrik auf Wikipedia, wo sonst auf die gewürdigten Song- oder Filmtitel hingewiesen wird. Mittlerweile stehen aber zwei Erfolgsalben und fünf Nummer-1-Hits in Deutschland zu Buche. Und damit ging Shirin David nun reichlich spät auf ihre erste Tour als Headlinerin.

Dabei lebt sie gemeinsam mit ihrem Management den alten Traum von der totalen Kontrolle. Auch in Wien war den Medien das Fotografieren verboten. Und interviewt hat sie sich gleich selbst. In einer der fünf Umziehpausen fungierte sie in einem hübschen Talkshowfilmchen gleichzeitig als Fragestellerin und entrückte Showbusinesspersönlichkeit. „Frau David, was an Ihnen ist eigentlich noch echt?“

Die trockene Replik „Mein Kontostand“ reizte zum kollektiven Lachen. Weiter ging der Wordrap. Nächstes Thema war ihr umstrittener Werbespot für McDonalds. „2024: McDonalds oder vegan?“ Als Antwort schlüpfte ihr ein „Was besser bezahlt!“ raus. Dann wurde es pseudofeministisch. „Warum verdienst du so viel mehr als die meisten Männer?“ Das verbale Echo fiel zart esoterisch aus. „Das ist nur eine Frage des Mindsets….“

Die Frau hat Humor. Wenn es so einfach wäre, würden wohl mehr das Geldsammeln zu ihrem Lieblingssport machen. Schon nach wenigen Minuten der Aktivität auf der Bühne war klar, dass dieses nur 1,63 Meter große Persönchen über jenen raren Rohstoff verfügt, der essenziell für große Karrieren ist: Bühnenpräsenz.

In ihrer forcierten Künstlichkeit ist Shirin David total authentisch. Diese Frau wirkt souverän, auch wenn sie es nicht permanent ist. Etwa beim Tanzen. Ihr genügten angedeutete, gut abgezirkelte Bewegungen, um maximale Wirkung zu erzielen. Akkuratesse war Angelegenheit der zehn subalternen Tänzerinnen. Von diesen umringt, praktizierte David auf coole Weise Halbplayback. Die prolligen Beats rollten aus dem Off ans Ohr. Konventionelle Musikinstrumente waren rar an diesem Abend. Eine Gitarre, ein Konzertflügel und eine Harfe kamen zur Erscheinung. Allerdings nicht auf einmal, sondern auf drei Songs verteilt. Die Lichtpeitsche, das Stroboskop, war im Übrigen gnadenlos. Talent zur Epilepsie durfte man an diesem Abend nicht haben.

Sie deutet Sprachbilder um

Im Mittelpunkt ihrer Kunst steht das gefährlich über die Lippen gerollte Wort. Selbst wenn sie es in friedlicher Absicht nützte, etwa in „Bitches brauchen Rap“, konnte es unheilvoll bis bedrohlich klingen. Im Song geht es um Neid und Stutenbissigkeit. „Kennst du diese Bitches, die auf Freunde machen? Sind es sie oder ihre Boys im Schatten?“ David spielt gerne mit dem Sprachbaukasten der männlichen Kollegen. Sie deutet Sprachbilder und Termini nach Kräften um.

Ausdrücke, mit denen männliche Rapper versuchten Frauen abzuwerten, werden bei David zu Fanalen der Selbstermächtigung. Das ist der gleiche Vorgang, den afroamerikanische Rapper in Gang setzten, um das pejorative Wort „Nigger“ von den Rassisten zurückzuerobern und ihm neue, stärkende Bedeutung zu verleihen. An diesem Manöver versuchen sich zwar auch andere deutsche Rapperinnen, etwa Katja Krasavice, aber bei Weiten nicht mit soviel Stil und Witz, wie es David tut.

„Meine Mutter versteht kein Englisch. Was sind ‚bad bitches?‘ Sag ihr: sowas wie ne Existenz, die selbst bestimmt ist.“ sprudelte sie etwa in „Schlechtes Vorbild“ wichtige Worte. Hier wurden Elemente von Lil Waynes Hit „A Milli“ als willkommener Aromastoff zugesetzt. Anders als zuletzt in München, wo Shindy einen Gastauftritt hatte, waren Männer in Wien nur als virtuelle Duettpartner geduldet. Herr Haftbefehl etwa, im heftig ratternden „Conan x Xenia.“

Die Hits prasselten bald wie warmer Sommerregen. Das hüftverherrlichende „90-60-111“, das duftbegeisterte „Dior Savage“, das männermordende „Gib ihm“. Einziger Schwachpunkt des Abends waren Balladen à la „Fliegst du mit“, die so etwas wie einen pathetischen Helene-Fischer-Moment in der sonst so flotten Show markierten. Knaller wie „Babsi Bars“ und „Hoes Up G´s Down“, wo sie mit einem Jetski über die Vorbühne schlitterte, entschädigten allerdings reichlich dafür. Fazit? Lieben wir.

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