Interview

„Ich bin als Palästinenser ein Niemand“

„Juden und Palästinenser sind eine Schicksalsgemeinschaft“, sagt Abdul Chahin.
„Juden und Palästinenser sind eine Schicksalsgemeinschaft“, sagt Abdul Chahin.Marvin Ruppert
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Der deutsch-palästinensische Comedian Abdul Chahin setzt sich in Projekten für Verständigung ein. Ein Gespräch über Identität, vererbten Hass, heikle Demos, Versäumnisse der Politik und das Fehlen moderater Stimmen.

Die Presse: Sie sind in Duisburg geboren, in der Diaspora. Da war der Nahost-Konflikt doch weit weg, oder?

Abdul Chahin: Ich bin erst vor fünf Jahren eingebürgert worden, mit 26. Davor war ich staatenlos, mit einem „XXA“ im Pass. Das hat alles erschwert, ich musste immer diese elende Geschichte erzählen: Ich bin Palästinenser, das ist nicht anerkannt. Die Nakba, die Vertreibung, war für uns immer die Wurzel der Probleme, die wir durchleben mussten. So wurde ich ständig mit dem Nahost-Konflikt konfrontiert. Unmittelbar davon betroffen war damals, im Jahr 1948, mein Opa, mit elf Jahren. Meine Eltern sind dann im Libanon aufgewachsen, in Beirut, in einer dieser großen Flüchtlingsunterkünfte, einer Art Slum. Ich selbst lebte als Kind neun Jahre lang im Asylheim. Meine Brüder und ich konnten das Abi machen, aber dann war uns alles versperrt: Arbeit, Lehre, Studium – das war bis 2015 mit einem befristeten Aufenthaltstitel nicht möglich. Aber wir haben mit Unterstützung von Flüchtlingshelfern und Sozialarbeitern eine unbefristete Bewilligung bekommen und konnten studieren. 

Wie sehen Sie die Stellung der Palästinenser in Deutschland?  

Aufgewachsen bin ich mit dem Gefühl: Ich bin für die Öffentlichkeit ein Niemand. Man findet in Diskursen nicht statt, und wenn doch, dann mit einer negativ konnotierten Wahrnehmung. Das einzige Ventil ist für viele, auf die Straße zu gehen. 

Sie haben sich eine Bühne geschaffen, treten als Comedian auf. Ist es leichter, über all das mit Humor zu sprechen?

Ja, zu hundert Prozent. Ich sage die Dinge gern gerade heraus. Auch wenn ein Besucher danach findet: Das ist nicht mein Geschmack, meine Meinung – es lässt sich trotzdem leichter annehmen, als wenn man so wie wir zwei jetzt ganz harte Brote durchkaut. Für mich ist die Kunst der Satire das beste Ventil. Aber ich scherze nur über Phänomene in Europa, niemals über den Nahost-Konflikt vor Ort. Das ist meine rote Linie.

Gibt es eine palästinensische Identität? Viele sagen ja: Ihr seid Araber, Muslime.

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