Prüfbericht

Umgeht der Wiener Gesundheitsverbund das Bundesvergabegesetz?

Der Rechnungshof ortet Mängel bei der Vergabe von Aufträgen im Wiener Gesundheitsverbund (im Bild die Klinik Ottakring)
Der Rechnungshof ortet Mängel bei der Vergabe von Aufträgen im Wiener Gesundheitsverbund (im Bild die Klinik Ottakring)APA / Comyan / Helmut Fohringer
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Intransparenz, Umgehung der Grenzen bei Ausschreibungen, kein wirtschaftlicher Umgang mit Steuergeld. Das ist die Bilanz des Rechnungshofes über die Auftragsvergaben des Wiener Gesundheitsverbundes.

Das Wiener Gesundheitssystem geriet in der jüngsten Zeit mehrfach negativ in die Schlagzeilen. Und diese Serie setzte sich am Freitag fort. Der Bundesrechnungshof veröffentlichte einen neuen Prüfbericht mit dem Titel „Wiener Gesundheitsverbund: Vergabepraxis im Bereich Medizintechnik und Beratung“. Die Bilanz: Bei 48 von 66 geprüften Vergaben übten die Prüfer heftige Kritik am Gesundheitsverbund.

Beispielsweise wurde die Menge an teuren, externen Beratungsleistungen kritisiert. Und in diesem Zusammenhang der Umgang mit Steuergeld: „Bei den, vom Rechnungshof geprüften, Zukäufen von Beratungsleistungen wurde in keinem Fall vorab geprüft, ob diese von eigenen Bediensteten erbracht hätte werden können.“ Und: „Verbesserungsbedarf gab es beim Compliance-Management-System.“ Die Details:

Massive Intransparenz

Im geprüften Zeitraum führte der WiGeV 1456 Beschaffungen durch, wobei die Vergabesumme jeweils mehr als 50.000-Euro betrug. Insgesamt lagen die Gesamtkosten bei 484,70 Millionen Euro. Die Kosten für Beratungsleistungen kamen auf insgesamt 145,44 Millionen Euro, wobei 44 Beratungen mit mehr als jeweils 190.000 Euro zu Buche schlugen.

Analysiert wurden Daten zu Auftragsvergaben im Zeitraum von 1. Jänner 2010 bis 31. März 2021. Wobei die Arbeit des Rechnungshofes nicht einfach war, wie dieser andeutet. „Die Zahlen standen allerdings erst nach Bereinigung durch den Rechnungshof fest. Denn der Gesundheitsverbund hatte keinen vollständigen Überblick über die von ihm durchgeführten Vergabeverfahren im Bereich Medizintechnik und Beraterleistungen“, heißt es wörtlich: „Die Datenlage gewährleistete nicht die notwendige Transparenz und Nachvollziehbarkeit“ Selbst bei Anschaffungen, die nicht so lange her sind, herrscht beim Gesundheitsverbund offenbar ein gewisses Chaos: „Zusätzlich konnte der Gesundheitsverbund dem Rechnungshof auch für bis zu sieben Jahre zurückliegende Vergabefälle nur unvollständige, teils lückenhafte und fehlerbehaftete Daten übermitteln.“

Unklar, wie Auftragswert ermittelt werden soll

Ein kleines Lob hält der Rechnungshof trotzdem bereit: „Grundsätzlich ist die Aufbau- und Ablauforganisation des Gesundheitsverbunds dazu geeignet, Vergaben wirtschaftlich und zweckmäßig abzuwickeln.“ Aber bereits im nächsten Satz folgt die nächste Kritik: „Der Rechnungshof stellte jedoch Mängel fest.“ Es würden einheitliche Vorgaben fehlen, wie Vergabeverfahren ablaufen müssten: „Auch war nicht klar vorgegeben, wie der geschätzte Auftragswert ermittelt und wie Angebote geprüft werden sollen“, hält der Rechnungshof nüchtern fest.

Was den Rechnungshof verwundert: „Im Bereich der Medizintechnik wurden rund zwei Drittel aller Aufträge über 50.000 Euro ohne vorherige Bekanntmachung vergeben.“ Die Konsequenz: „Damit reduzierte der Gesundheitsverbund den Bieterkreis und nahm mögliche wirtschaftliche und technologische Nachteile in Kauf.“

„Umgehung Vergabegesetz ist zu verhindern“

Parallel dazu fand der Rechnungshof Hinweise, dass der Gesundheitsverbund bei den Vergabesummen „trickst“, um Ausschreibungen zu umgehen: „Die geringe Anzahl an Vergaben mit Vergabesummen von 100.000 bis 109.999 Euro gegenüber Vergabesummen von 90.000 bis 99.999 Euro könnte darauf hindeuten“, dass der Gesundheitsverbund einen Auftrag so aufteilt, dass er ihn nicht ausschreiben muss, sondern direkt vergeben kann. Denn die Grenze für Direktvergaben liegt bei 100.000 Euro. Hier stellt der Rechnungshof klar: „Das Beschaffungsvolumen darf nicht aufgeteilt werden, um definierte Schwellenwerte zu unterschreiten und dadurch weniger transparente Vergabeverfahren anwenden zu können.“ Nachsatz: „In diesem Zusammenhang sah der Rechnungshof dringenden Handlungsbedarf, um eine mögliche Umgehung des Bundesvergabegesetzes zu verhindern.“

Was dem Rechnungshof noch aufgefallen ist: Der Gesundheitsverbund vergibt seine Aufträge größtenteils nur an einen kleinen Kreis an Firmen. „Insgesamt stellte der Rechnungshof bei den Beschaffungen im Bereich Medizintechnik eine hohe Konzentration auf wenige Auftragnehmer fest.“ Die zehn größten Auftragnehmer hätten rund 52 Prozent des Auftragsvolumens erhalten. Das entspreche rund 37 Prozent der Aufträge.

Wettbewerb wurde eingeschränkt

Dazu kommt, dass der Gesundheitsverbund missverständliche Ausschreibungsunterlagen produziert. „Aus dem Bereich Medizintechnik nahm der Rechnungshof 55 Vergabefälle unter die Lupe. Mängel gab es bei 38 Vergaben.“ Die größten Probleme gebe es bei der Dokumentation bei der Ermittlung des Auftragswertes, der Wahl des Vergabeverfahrens . . . und der Angebotsprüfung. Die Folge: Die Bieter konnten die Bedingungen unterschiedlich interpretieren, wodurch einzelne Bieter benachteiligt werden konnten. In einem anderen Fall wurde eine Rahmenvereinbarung für 129 Röntgengeräte abgeschlossen, allerdings nur 16 Geräte bestellt. Die Folge eines derartigen Vorgehens: Der Bieterkreis, und somit der Wettbewerb, kann dadurch deutlich eingeschränkt werden.

„Wesentliche Bestimmungen nicht eingehalten“

Bei den Vergaben von Aufträgen für Beraterleistungen durch den Gesundheitsverbund sieht es ähnlich aus: Bei elf untersuchten Vergaben wurden in zehn Fällen Mängel festgestellt: „Bei den sechs überprüften Vergabefällen von Beratungsleistungen über 190.000 Euro wurden wesentliche vergaberechtlich Bestimmungen nicht eingehalten.“ In keinem einzigen Fall wurde überprüft, ob die Beratungsleistung nicht deutlich kostengünstiger durch eigenes Personal erbracht hätte werden können.

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