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Warum die Reichen immer reicher werden

Bitcoin-Begriffe. Was hat ein Ökonom, der vor 300 Jahren gelebt hat, mit Bitcoin zu tun? Ein kurzes Lexikon über den Cantillon-Effekt, den inneren Wert und die geringe Zeitpräferenz.

Jahrhundertelang hat sich keiner für Richard Cantillon interessiert. Jetzt fällt der Name des irisch-französischen Ökonomen aus dem 18. Jahrhundert bei fast jeder Bitcoin-Veranstaltung, auch der designierte argentinische Präsident, Javier Milei, hat ihn kürzlich zitiert. Doch wer war er? Und was ist Fiatgeld, und warum sollte es keinen inneren Wert haben und zu einer hohen Zeitpräferenz verleiten? Ein paar Begriffserklärungen, die einem helfen, in Bitcoin-Diskussionen mitzuhalten.

Der Cantillon-Effekt wird gern als Erklärung herangezogen, warum ausgerechnet die ohnehin schon Reichen schneller reicher werden als andere. Richard Cantillon war Bankier und Ökonom und befasste sich mit Themen wie der Geldumlaufgeschwindigkeit, bevor er im Jahr 1734 in seinem Londoner Haus Opfer eines Raubmords wurde. Das Haus wurde zudem in Brand gesteckt, und so kam es, dass fast alle seine Schriften vernichtet wurden. Nur einer seiner Aufsätze wurde nach seinem Tod unter dem sperrigen Titel „Abhandlung über die Natur des Handels im Allgemeinen“ veröffentlicht.

Darin wird folgendes Phänomen beschrieben: Eine Gruppe von Gold- und Silberproduzenten – solche hatten zu Cantillons Zeiten maßgeblichen Einfluss auf die Geldmenge – können plötzlich ihre Produktion ausweiten. Das kommt zunächst vor allem den Inhabern selbst zugute. Sie können die höheren Gewinne nutzen, um mehr Fleisch, Wein und Bier zu konsumieren, bessere Kleidung zu tragen, sich schönere Häuser zuzulegen und „andere erlesenere Bequemlichkeiten des Lebens zu besitzen“. Die höhere Nachfrage führt allerdings dazu, dass all diese erlesenen Dinge teurer werden. Das ist nicht für jeden schlecht, denn immerhin verdienen jetzt auch Händler, Handwerker und Winzer mehr, weiten ihre Produktion aus, kaufen Grundstücke und treiben auch dort die Preise in die Höhe.

Wer hingegen eine feste Pacht erhält, muss sich gedulden, bis der Pachtvertrag ausläuft, um mehr zu verlangen, bis dahin muss er aber schon höhere Preise für Bedarfsgüter zahlen. Auch Arbeiter werden über kurz oder lang höhere Löhne durchsetzen, müssen aber schon vorher mehr für Lebensmittel und Kleidung berappen, sprich wer in Zeiten der Geldmengenausweitung näher an der Quelle sitzt, profitiert (weil er Geld hat, bevor die Preise steigen), die anderen verlieren (weil die Preise steigen, bevor sie mehr Geld erhalten).

Cantillon wurde mehr als zwei Jahrhunderte nach seinem Tod von Friedrich August von Hayek, einem Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, wiederentdeckt. Jetzt sind es nicht mehr Goldminen, sondern Notenbanken und Banken, die die Geldmenge durch Kreditvergabe erhöhen können. Und wenn frisches Geld fließt (was nach der Finanzkrise weltweit reichlich passiert ist), dann profitieren dieser Theorie zufolge in erster Linie der Staat, staatsnahe Unternehmen, Banken – und Wohlhabende, die bereits Vermögenswerte haben. Die anderen verlieren.

Die Theorie ist umstritten, da sie sich mit der Überzeugung schlägt, dass Umverteilung (also mehr Staat) das wirksamste Mittel gegen Vermögensungleichheit ist. Auch meinen manche, dass Gelddrucken nicht zwangsläufig zu Verbraucherpreisinflation führt, sondern ein knappes Angebot von ­Gütern oder eine hohe Nachfrage. Solang das Geld in den Finanzmärkten bleibe, passiere gar nichts.

Fiatgeld ist so etwas wie der Euro oder Dollar, also eine staatliche Währung, die keinen inneren Wert hat wie etwa Gold und Silber und die nur deswegen als Zahlungsmittel akzeptiert wird, weil die Menschen in den Staat und in das Bankensystem vertrauen. Das Wort „fiat“ bedeutet auf Latein „es werde“, „es geschehe“. In der lateinischen Bibel sagt Gott „Fiat Lux“ („Es werde Licht“). Und so wie Gott die Welt aus dem Nichts schafft, so können Notenbanken und auch Geschäftsbanken Geld aus dem Nichts schaffen. Tun sie das zu exzessiv, kann das die Inflation ankurbeln. Bitcoiner sprechen auch gern vom „Fiatsystem“ und meinen damit das bestehende Geldsystem.

Einen inneren Wert hat freilich auch Bitcoin nicht. Der Österreichischen Schule zufolge gibt es aber ohnehin keinen inneren Wert eines Guts, der objektiv messbar wäre. Wenn ein Gut von niemandem benötigt oder gewünscht wird, dann hat es gar keinen Wert, auch keinen inneren. Die Kritik, dass Bitcoin keinen inneren Wert hat, bezieht sich allerdings oft darauf, dass es nichts kann, außer Geld zu sein – im Gegensatz zu Gold und Silber, das etwa auch in der Industrie als Rohstoff genutzt wird. Doch auch der Euro ist nur Geld. Zudem muss es nicht unbedingt ein Nachteil sein, wenn Geld sonst nichts kann, außer Geld zu sein. Denn dann wird die Geldnachfrage nicht durch einen Störfaktor beeinträchtigt. Gold wird auch nur zu einem kleinen Anteil in der Industrie verwendet, die Nachfrage hängt vor allem von Investoren, Notenbanken und Schmuckkäufern ab.

Eine hohe Zeitpräferenz hat man, wenn man jetzt sofort konsumieren will. Wer lieber für die Zukunft spart, hat eine geringere Zeitpräferenz. Nun ist eine hohe Zeitpräferenz per se nichts Schlechtes, manche Dinge benötigt man eben sofort. Wie hoch oder niedrig die Zeitpräferenz ist, hängt aber nicht nur vom Konsumgut ab, sondern auch vom Geld, das man dafür bezahlt. Handelt es sich um Geld, bei dem man fürchten muss, dass es weginflationiert wird, dann erhöht das die Zeitpräferenz deutlich: Lieber heute konsumieren als morgen nur noch die Hälfte davon. Bitcoin soll die Zeitpräferenz senken, da es knapp ist, weswegen die Kaufkraft tendenziell zulegen sollte. Bitcoin soll daher eine Alternative ermöglichen zu einem Wirtschaftsmodell, das auf schnellen Konsum angewiesen ist, und einem Schrumpfungsmodell, von dem manche Umweltschützer träumen. Wer eine niedrige Zeitpräferenz hat, verzichtet nicht auf Konsum, sondern wartet, bis er etwas findet, was es wert ist, gekauft zu werden.

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