Buchrezension

Was man aus 40 Jahren Börsengeschichte lernen kann

Als am 19. Oktober 1987 die Kurse abstürzten, herrschte Panik.
Als am 19. Oktober 1987 die Kurse abstürzten, herrschte Panik. Getty/De Keerle
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Peter Brezinschek blickt auf 40 Jahre Börsengeschichte zurück und zieht Parallelen zur Gegenwart.

Vor 40 Jahren hatte eine Art Zeitenwende stattgefunden: US-Notenbankchef Paul Volcker hatte durch eine restriktive Geldpolitik (mit Leitzinsen von zeitweise 20 Prozent) dafür gesorgt, dass Inflation 40 Jahre lang kein Thema mehr sein sollte. Dann setzte US-Präsident Ronald Reagan auf weniger Staatsinterventionismus und mehr marktfreundliche Incentives als in den 1970er-Jahren. Bald sanken die Leitzinsen in den USA und in Europa wieder, und für Aktien begann ein goldenes Zeitalter.

Zur gleichen Zeit fing Peter Brezinschek als Kapitalmarktanalyst bei Raiffeisen an. 40 Jahre später geht die Ära der Niedrigzinsen zu Ende, die Globalisierung scheint an Grenzen zu stoßen, und die politische Unsicherheit (Klimakrise, Krieg im Nahen Osten und in der Ukraine) ist wieder fast so hoch wie in den 1970er-Jahren (Kalter Krieg, Ölpreisschock, Krieg im Nahen Osten). Und Brezinschek blickt zurück auf 40 Jahre Kapitalmarkt. „40 Jahre Finanzmärkte – wie ich sie sehe“ lautet der Titel seines Buchs.

Crash 1987 schreckte viele

Darin beschreibt er unter anderem, wie er den Schwarzen Montag erlebt hat, den 19. Oktober 1987, an dem weltweit die Börsen einbrachen und der Dow Jones an einem einzigen Tag 22,6 Prozent verlor. Brezinschek leitete damals den größten internationalen Aktienfonds Österreichs. Da er mit einem Rückschlag bei US-Aktien gerechnet hatte, betrug die Bargeldquote im Fonds 15 Prozent, was relativ hoch ist. Nach dem Crash fürchteten viele, dieser wäre Vorbote einer tiefen Rezession. Brezinschek war im Lager derer, die dachten, dass es sich nur um eine Bereinigung überzogener Gewinn- und Kurserwartungen gehandelt habe. Er sollte recht behalten.

So richtig euphorisch ging es indes an der Börse in Tokio zu. Anfangs völlig zu Recht, wie Brezinschek findet. Das Land hatte sich wirtschaftlich geöffnet und schaffte es, in vielen technologischen Bereichen Marktführerschaft zu erlangen. Doch dann übertrieben die Märkte. Dreistellige Kurs-Gewinn-Verhältnisse waren an der Tagesordnung. Brezinschek war 1989 selbst in Japan. Dort fielen ihm die hohen Preise für Lebensmittel, aber auch elektronische Geräte auf, die in Japan teurer waren als in Europa oder den USA. „Sie finanzierten die subventionierten Exportpreise.“ Die Japaner investierten das viele Geld, das sie im Zuge der Börsenrallye erzielt hatten, in Immobilien. Schließlich erhöhte die Notenbank die Leitzinsen – zu spät. Die Immobilienpreise stürzten ab – und ebenso die Aktien. Bis heute haben sie die einstigen Höchststände nicht mehr erreicht.

Als die IT-Werte abstürzten

Die Neunziger-Jahre waren geprägt von der Öffnung Chinas und der Globalisierung. Österreich profitierte von der Ostöffnung. Zugleich brach das Internetzeitalter an. Zunächst folgten die Aktienkurse den Unternehmensgewinnen. Doch in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts entkoppelten sich die Kurse und schossen hoch, bis im März 2000 die Blase platzte. Brezinschek warnte Anfang 2001 vor einem neuerlichen Abbröckeln der Kurse, das auch erfolgte. Es sollte zehn Jahre dauern, bis Amazon und Co. den Anlegern wieder Freude bereiteten.

An der Wiener Börse gingen sowohl die Internetblase als auch ihr Platzen spurlos vorüber. Doch mit dem EU-Beitritt von zehn osteuropäischen Ländern im Jahr 2004 erlebte die Börse wieder einen Höhenflug. Weltweit stiegen die Aktienkurse zwischen 2003 und 2007 stark an, auch beflügelt durch eine expansive Geldpolitik in den USA, Europa und Japan. Wieder ließen sich die Notenbanken nach Brezinscheks Ansicht allzu lang Zeit mit den Zinserhöhungen.

Dann kam die Finanzkrise, von der sich viele Bankaktien noch immer nicht erholt haben. Die Notenbanken reagierten mit Quantitative Easing (Aufkauf von Staatsanleihen). Erst „viel zu spät“, nämlich 2021 in den USA und 2022 in der Eurozone, hörten sie damit auf.

In Österreich gab es nicht nur einen Aktienhype, der mit der Finanzkrise abrupt endete, sondern auch einen Schweizer-Franken-Kredithype. Brezinschek warnte, dass die niedrigen Franken-Zinsen nicht von ungefähr kämen, der Schweizer Franken sei eine Aufwertungswährung. Doch nicht alle glaubten ihm: Bei einer Kundenveranstaltung erhob ein Mann schwere Vorwürfe: Brezinschek wäre von der Raiffeisenbank engagiert worden, um Argumente gegen Frankenkredite zu bringen, weil die Raiffeisenbanken mit solchen Krediten weniger verdienten.

Franken wertete auf

Der Schweizer Franken fiel tatsächlich noch bis 2008. Erst dann stieg er zum Euro an, und zwar massiv, was viele Frankenkreditnehmer in die Bredouille brachte. 2008 erhielt man um einen Euro noch 1,63 Franken, zuletzt waren es 0,95.

Die 2010er-Jahre waren gekennzeichnet durch Staatsschuldenkrisen, Geldflut, Nullzinsen, Handelsstreit und der Diskussion um Finanztransaktionssteuern, die 2020er von Covid, Lieferkettenproblemen und der Rückkehr der Inflation, die man zunächst nur für „temporär“ hielt, und schließlich Zinserhöhungen. „Die goldenen Zeiten für Aktien mit mehrjährigen zweistelligen Performancezahlen sind angesichts höherer Inflation und Zinsen vorbei. Aber um realen Ertrag auch in Zukunft zu erzielen, wird man um Aktien im Vermögensaufbau nicht vorbeikommen.“

Auf einen Blick

Peter Brezinschek war Raiffeisen-Chefanalyst und Gründer von Raiffeisen Research. Jetzt ist er selbstständiger Finanzexperte und Chefökonom beim „Börsianer“.

Das Buch „40 Jahre Finanzmärkte – wie ich sie sehe“ kostet 24,90 Euro (ab 10 Stück 20,90 Euro), hat 271 Seiten und ist bei Raiffeisen Media erschienen. Bestellungen sind unter verlag@raiffeisenmedia.at und brezinschek.peter@chello.at möglich. 

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