Nachruf

Er verwandelte die Welt in Malerei: Wolfgang Hollegha ist tot

Wolfgang Hollegha (1929−2023).
Wolfgang Hollegha (1929−2023).APA/Comyan/Brigitte Hollegha
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Am Samstag in den frühen Morgenstunden starb der österreichische Maler Wolfgang Hollegha. Er zählte zu den wichtigsten abstrakten Künstlern seiner Generation – und er lehrte mich das genaue Schauen.

Er sei ein Dissident gewesen, nie habe er das gemacht, was der Kunstmarkt diktierte: „Ich fotografiere nicht, habe nie geometrisch gemalt, Konzeptkunst hat mich nie interessiert. Ich bin immer von der Natur ausgegangen, von dem, was ich sehe. Wenn ich das nicht hätte, wäre es bloß ein willkürliches Geschmiere.“ Wolfgang Hollegha war, wenn man so möchte, ein Naturmaler. Die Natur, das Organische, inspirierten ihn, ein Spaziergang durch den Wald war stets auch Motivsuche: ein Ast, eine Wurzel, die Baumrinde, bei einem meiner Besuche transportierte er sogar Novopanplatten in den Wald, um vor Ort zeichnen zu können. „Wenn man durch den Wald geht, da ist alles ein bisschen schief. Organisch. Oder, wie die Felsen, über Jahrtausende gewachsen. Dieses Schiefe, Organische, Gewachsene inspiriert mich. Da ist nichts designt oder Technikerarbeit. Das passt. Auch wir Menschen sind organisch, es ist verständlich, dass man da eher eine Beziehung dazu hat. Unsere Wahrnehmung ist ja organisch. Der Kopf ist nie eine Kugel. Die geometrische Form ist absolut richtig, aber absolut unvereinbar mit der Verschiedenheit der Menschen.“

Hollegha war ein wunderbarer Freund und großartiger Lehrer. Er lehrte mich das genaue Schauen – und doch sah ich nie das, was er in den Dingen zu entdecken vermochte. Er betrachtete die Dinge lang, studierte sie, entdeckte dem Gegenstand immanente Bewegungen und abstrahierte sie: zuerst zeichnerisch, dann auf seinen meist sehr großformatigen Bildern. Er zeichnete viel, „denn beim Zeichnen experimentiere ich, zeichne auch drüber und dann wird es oft echt hässlich. Und grafisch grauslich“, sagte er, ganz ohne Pathos. „Diese Zeichnungen: Das ist so, wie wenn jemand am Klavier spielt, übt, experimentiert, ausprobiert, um sich was zusammen zu komponieren.“ Auf der Leinwand ist schließlich kein Gegenstand mehr zu erkennen, keine winzige Andeutung eines Holzscheites oder einer Puppe. Nur mehr Bewegung. In Wolfgang Holleghas Grammatik übersetzt. Geordnet.

Entsetzt vom ersten Picasso

Geboren 1929 in Klagenfurt, hatte der früh verwaiste Hollegha, der bei einer Tante und der Großmutter aufwuchs, in seinen jungen Jahren kaum Kontakt zur Kunst. Damals, in der Nazizeit, gab es wenig Anregendes, höchstens ein paar Karten vom Kunsthistorischen Museum in Wien. Und als er seinen ersten Picasso sah, sei er schlichtweg entsetzt gewesen.

Nein, sein Lebenslauf verhieß ihm nicht schon als Kind, dass er später einmal einer der wichtigsten abstrakten Maler Österreichs sein, 1958 den Guggenheim-Preis erhalten, 1964 an der Documenta III in Kassel teilnehmen und mit den internationalen Top-Stars der abstrakten Malerei wie Mark Rothko, Kenneth Noland, Morris Louis gemeinsam in New York ausstellen würde, wohin den jungen Österreicher der amerikanische Kritikerpapst Clement Greenberg geholt hatte.

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