Interview

Hans Niessl: „Österreicher sind zu dick“

Gymnastikübungen sind für viele ein Ding der Unmöglichkeit, für andere der geliebte Alltag. Im Bild Fitness-Begeisterte bei Österreichs größtem Indoor High Intensiv Intervall Trainings (HIIT) im April in den Wiener Sofiensälen.
Gymnastikübungen sind für viele ein Ding der Unmöglichkeit, für andere der geliebte Alltag. Im Bild Fitness-Begeisterte bei Österreichs größtem Indoor High Intensiv Intervall Trainings (HIIT) im April in den Wiener Sofiensälen.Isabelle Ouvrard / picturedesk.com
  • Drucken

Bewegungskultur. Sport-Austria-Chef Hans Niessl lässt kein gutes Haar am landesweit fehlenden Verständnis für Sport, der weiterhin in manch Ministerium nicht richtig wertgeschätzt wird. Rückhalt sind 15.000 Vereine und zwei Millionen Mitglieder, die unermüdlich zusammenhalten.

Die Presse: Ernährungswissenschaftler schlagen Alarm. Jeder vierte Österreicher sei zu dick ist, bei Kindern sei die Rate noch extremer. Warum sind unsere Kinder zu dick?

Hans Niessl: Dieser Befund stimmt wohl, leider. Das ist nicht nur eine subjektive Feststellung, sondern wird auch von der Weltgesundheitsorganisation WHO so gesehen. Die Österreicher sind zu dick. Und 80 Prozent unsere Kinder machen nicht einmal die einstündige Bewegung, die sie pro Tag machen sollten. Und das hat natürlich Auswirkungen, darum gibt es solch erschütternde Studien.

Ich höre auch rundum immer öfter, dass immer weniger Kinder einen Purzelbaum beherrschen.

Ja. Es werden immer weniger und wenn man das im Kindesalter nicht kann, wächst parallel dazu die Wahrscheinlichkeit, dass man diese Grundfertigkeiten nie lernen wird. Das ist ein ganz großes Problem in Österreich. Wir alle feiern uns, wenn wir Deutschland, in einem Testspiel bitte, mit 2:0 besiegen oder die Skifahrer einen Dreifachsieg einfahren. Das ist auch toll. Aber dass das eigene Kind keinen Purzelbaum beherrscht, geht dabei unter! Die Bewegungsarmut wird größer, und da sind wir auch gleich bei der Lebensqualität und Länge. Die gesunden Jahre werden weniger. Diese sind bei über 65-Jährigen ohne Corona von 11,35 Jahre auf 9,75 Jahre gesunken. Auch das ist ein Manko. Aber das große Defizit ist, dass die Gesundheitspolitik noch immer nicht realisiert hat, dass durch Bewegung aller die Kosten gesenkt werden könnten.

Hans Niessl verlangt mehr Bewegung und setzt Initiativen dafür.
Hans Niessl verlangt mehr Bewegung und setzt Initiativen dafür.GEPA pictures / Armin Rauthner

Es ist ein Rot-Foul, dass in den eigenen vier Wänden beginnt und nicht rein politisches Versagen. Nur weil irgendein Minister sagt, man soll Sport machen, täten es ja nicht alle. Das muss man selbst wollen.

Es ist sicher eine Rot-Karten-Situation, aber vor allem deshalb, weil man seitens der Politik noch immer nicht die Rahmenbedingungen geschaffen hat für mehr koordinierte Bewegungsinitiativen für alle Altersgruppen. Jeder Cent, der dort investiert wird, würde sich rechnen. Jeder ist verantwortlich, das Elternhaus, der Bildungsbereich, die Schule, der Verein. Die Gene allein sind es nicht, Ernährung, Sozialisation und Sport sind entscheidend für die Gesundheit.

Da schaut es aber schlecht für uns aus.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.