Luftangriffe

Zermürbung durch Kälte: Winteroffensive gegen Stromnetz der Ukraine

Szene nach einem Raketeneinschlag in der ostukrainischen Stadt Charkiw.
Szene nach einem Raketeneinschlag in der ostukrainischen Stadt Charkiw.Reuters
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Eine Welle russischer Marschflugkörper und Drohnen könnte am Freitag die Neuauflage des Versuchs eingeleitet haben, die Ukrainer durch Kälte zu zermürben.

Moskau/Kiew. Nach mehr als zwei Monaten weitgehender Unterbrechung hat Russland am Freitag wieder eine größere strategische Beschusswelle gegen die Ukraine unternommen. Demnach kamen diesmal mehrere bodengestützte S-300-Raketen gegen Charkiw zum Einsatz, vor allem aber Marschflugkörper der Modelle Kh-101 und Kh-555, die von Bombern des Typs Tupolew Tu-95 (Nato-Code: Bear) vorwiegend gegen Kiew abgefeuert wurden, wie der Militärkommandant der Hauptstadt, Serhij Popko, mitteilte.

Diese weitreichenden Geschosse starteten demnach im Raum Saratow in Südrussland. Allerdings seien von 19 entdeckten Flugkörpern 14 abgefangen worden. Das ist vor allem deshalb besonders bemerkenswert, weil die Kh-101-Modelle (Nato-Code: AS-23 Kodiak, Reichweite 3000 bis 4000 Kilometer) am Radar dank Tarnkappentechnik kaum erkennbar sein sollten. Ob es sich dabei um die fünf durchgekommenen handelt, ist indes unbekannt, die Angaben der Ukrainer waren auch nicht überprüfbar.

Tupolew Tu-95 „Bear“, hier fotografiert von der Royal Air Force anno 2014 vor Schottland.
Tupolew Tu-95 „Bear“, hier fotografiert von der Royal Air Force anno 2014 vor Schottland. RAF

Kiew sei nicht getroffen worden, sagte der dortige Militärkommandant, allerdings habe es im Umland sowie in der Ostukraine durch Explosionen Schäden an Gebäuden gegeben. Mindestens eine Person kam ums Leben. Außerdem flogen mehrere Selbstmorddrohnen iranischen Typs gegen die Ukraine, fünf davon seien zerstört worden, hieß es.

Bei den erwähnten S-300-Raketen wiederum handelt es sich eigentlich um weitreichende Flugabwehrwaffen. Man kann sie eingeschränkt auch gegen Bodenziele einsetzen, allerdings ist die Wirkung dabei wegen des relativ kleinen Sprengkopfs mäßig, und solche improvisierten Einsätze zeugen eher von einem Mangel an „richtigen“ Fernlenkwaffen gegen Bodenziele.

Hunderte Ortschaften ohne Strom

Angesichts des Winters wird schon seit Längerem eine strategische Luftoffensive der Russen erwartet, die sich wie im vorigen Winter primär gegen Kraftwerke, Umspannwerke, Heizanlagen etc. richtet, um der ukrainischen Bevölkerung durch Kälte zuzusetzen und ihren Widerstandswillen zu schwächen. Die jetzige Welle könnte ihr Beginn sein.

Gelungen ist das bisher freilich nicht, obwohl Millionen Ukrainer bei oft sibirischer Kälte zeitweise bis längerfristig ohne Strom und Heizung auskommen mussten. Aktuell sind allerdings schon etwa 500 meist kleinere Ortschaften von Stromausfällen betroffen, weil das Stromnetz des großen Landes wegen des hohen Verbrauchs überlastet und stellenweise durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss beschädigt worden ist. Der nationale Stromversorger Ukrenergo meldete am Freitag, dass man vor einigen Tagen mit Stromimporten aus Polen und Rumänien begonnen habe, um die Lage einigermaßen zu retten. Die heimischen Kraftwerke seien bereits heillos überlastet. (wg/ag.)

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