Kabarett-Kritik

Kabarett: Die Krisen der Welt aus der Sicht der Braven und Bösen

Martin Buchgraber sucht im neuen Programm den Kontakt mit dem Publikum.
Martin Buchgraber sucht im neuen Programm den Kontakt mit dem Publikum.Alsergrund/Buchgraber
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Im neuen Programm „Esel sucht Brücke“ spielt Martin Buchgraber sich selbst als sanften freundlichen Typ, der gegen einen egozentrischen Millionär nicht ankommt.

Martin Buchgraber ist gut für Überraschungen. Wer seine bisherigen Programme kennt (Solo „Unter Tauben“ und früher mit Joachim Brandl, zuletzt „denken verboten“), erwartet auch diesmal eine rasante Geschichte, in der zahlreiche Figuren interagieren. So wie es einst Josef Hader in „Hader muss weg“ exzellent vorzeigte, oder Cornelius Obonya in „Cordoba“: Ein Film gespielt von einem Menschen.

Doch im neuen Programm (Regie: Leo Lukas) gibt es gar keine vierte Wand der Bühne. Martin Buchgraber wendet sich sofort ans Publikum, stellt sich mit seinem echten Namen vor und erzählt über sein Leben. Diese „Martin Buchgraber Show“ peppt er mit ausgedruckten und laminierten Taferln auf – und mit „Eselsbrücken gegen Gedächtnislücken“.

In Graz waren die Nasenrammeln schwarz

Die Erzählungen seiner Kindheit in Graz („The City of Smog: Wir haben gedacht, Nasenrammeln sind von Natur aus schwarz“), führen bis ins Absurde („Mein Kinderzimmer war die Speis. Die unterste Schublade war mein Bett“ oder „Ich bin so streng musikalisch erzogen: Ich durfte bis zum 12. Lebensjahr nur mit der Stimmgabel essen“).

Und schon bald tritt die eigentliche Hauptfigur des Stücks auf: der Reginald Pimperl. Ein böses Kind aus reicher Familie, das ihm vom Kindergarten bis ins Erwachsenenalter über den Weg rennt und auf die Nerven geht.

In Reginald stecken all die erschreckenden Eigenschaften, die „die oberen 10.000“ so erfolgreich machen, z. B. auf Achtsamkeit tun, aber nur zum eigenen Vorteil. So ist dieser Typ der optimale Gegenpol zum ehrlich freundlichen Buchgraber („Ich bin dreifach tätig: Kabarettist, Vater, Chauffeur meiner Kinder“). Die wichtigen Themen unserer Zeit (Klimakrise, Kapitalismus, gesellschaftlicher Zusammenhalt) bespielt der Künstler so aus der Perspektive der Braven und der Bösen.

Auch Gendern ist ein großes Thema im Programm „Esel sucht Brücke“, das Ende November im Theater am Alsergrund Premiere hatte. Doch Buchgraber nimmt es ernst mit der Geschlechtergerechtigkeit: Ganz nach dem Motto „Die Zeiten gendern sich“ verwitzelt er nichts, sondern nennt Ungerechtigkeiten beim Namen. Trotzdem ist nur eine Figur im Stück weiblich – seine wortkarge Teenager-Tochter. Die wünscht sich für ihre Party einen Esel. Dieser Wunsch ist der rote Faden und der Link zum Titel des Programms.

Die Kommunikation mit der Tochter gibt Anlass, die Jugendsprache ironisch zu zerlegen („Anglizismen sind für mich ein No-Go“), und um Ernährungstrends zu kommentieren („Vegetarisch ernähren wir uns nur zwischen Nachmittagsjause und Abendessen“).

Zappelig im Zeitraffer

An Figuren ist das Stück nicht arm (mindestens sechs Charaktere), doch Buchgraber setzt seine Wandelfähigkeit sanft dosiert ein. Große Lacher sind die zappelig gespielten Zeitrafferszenen und der lässige Rap-Song. Zum Abschluss gibt es eine Überraschung, die all das Gesehene neu überdenken lässt. Ein Abend, der angenehm nachwirkt.

Termine

Martin Buchgraber spielt live am 12. Jänner 2024 im Theater am Alsergrund „Esel sucht Brücke“.

Zuvor gibt es noch das Adventkränzchen – mit der Familie von Leo Lukas:

Am 14. 12. in der Blue Garage Frauental.

Am 23. 12. 23 im Kabarett Niedermair.

Die TV-Aufzeichnung von „Adventkränzchen“ läuft am 14. 12. um 22:50 Uhr auf ORF3.

Alle Termine auf www.martinbuchgraber.at/termine/

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