Studie

Teuerung, Krieg und Pandemie: Krisen reduzierten Kinderwunsch merklich

Unsichere Zeiten haben offenbar zufolge, dass ein Kinderwunsch aufgeschoben wird.
Unsichere Zeiten haben offenbar zufolge, dass ein Kinderwunsch aufgeschoben wird.Katharina Fröschl-Roßboth
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Zwischen 2009 und 2023 ist der erhobene Kinderwunsch von 2,1 auf 1,7 Kinder pro Frau zurückgegangen.

Eine deutliche Reduktion des Kinderwunsches offenbart eine wissenschaftliche Studie unter mehr als 8000 Österreicherinnen und Österreichern, die Forscher der Unis Wien und Salzburg sowie der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) durchgeführt haben. Pro befragter Frau liegt der Wert nun bei 1,68 Kindern. Das ist ein klarer Abfall im Vergleich zu einer Erhebung 2009, als sich Frauen im Schnitt noch 2,1 Kinder wünschten. Die Gründe liegen u.a. in der Teuerung und multiplen Krisen.

Die Analysen wurden im Rahmen des „Generations and Gender Programme“ (GGP) von einem Team um Isabella Buber-Ennser vom Vienna Institute of Demography (VID) der ÖAW sowie Norbert Neuwirth und Wolfgang Mazal vom Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) an der Uni Wien durchgeführt. Nach der Befragung 2008/2009 mit 5.000 Teilnehmern gab es eine Folgeerhebung 2012/2013 und die nunmehrige Auflage mit mehr als 8.000 Befragten zwischen Oktober 2022 und März 2023. Der Fokus beim Thema Kinderwunsch lag auf Personen zwischen 18 und 45 Jahren.

„Zwischen 2009 und 2023 ist der erhobene Kinderwunsch von 2,1 auf 1,7 Kinder pro Frau zurückgegangen“, so Neuwirth am Dienstag in einer Aussendung. Fragten die Forscher danach, ob man sich innerhalb der nächsten drei Jahre „definitiv“ oder „wahrscheinlich“ ein Kind wünscht, zeigte sich dieser Trend eindrücklich: In der Gruppe der 18- bis 29-jährigen Frauen gaben dies 2009 noch 36 Prozent der Befragten an. 2023 waren es zehn Prozentpunkte weniger. Bei den Männern dieser Alterskohorte sank die Zustimmung sogar von 30 (2009) auf 14 Prozent (2023). Weniger deutlich ging die Zustimmung in der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen zurück: Unter den Männern fiel sie von 2009 auf 2023 von 40 auf 32 Prozent, unter den Frauen von 32 auf 30.

Am häufigsten zwei Kinder

Die größte Gruppe unter den Frauen in Österreich ist mit rund 40 Prozent jene mit zwei Kindern. Rund ein Viertel hat ein Kind. Beide Werte seien über die Zeit hinweg „recht konstant“, wie Buber-Ennser im Gespräch mit der APA erklärte: „Der Anteil der kinderlosen Frauen nimmt aber konstant zu.“ Aufgrund der Vielzahl an Daten, die die Befragungen erbrachten, haben Wissenschafter abgeschätzt, wie hoch der Anteil der Kinderlosen in den Alterskohorten mit Geburtsjahr ab 1990 sein könnte. Die Analyse lasse auf einen Wert von 23 bis 24 Prozent schließen.

Vergleicht man dies mit früheren Jahrzehnten, in denen der Kinderlosen-Anteil teils auch groß war, aber relativ viele Frauen in Österreich auch drei oder mehr Kinder hatten, schlage das heutzutage stärker durch. Letztlich kommen bei so einem Trend „auch weniger potenzielle Mütter in Zukunft nach“, so die Demographin. In Frankreich wird der „Abwärtstrend“ noch von vielen vielköpfigen Familien gebremst. Das war in Skandinavien ähnlich, wobei zuletzt auch hier die Geburtenraten im Sinken begriffen seien. Woran das liegt, sei noch nicht klar, so Buber-Ennser.

Auf der Suche nach möglichen Gründen hierzulande wurde man in der jüngsten Untersuchung auch neben den sozusagen „klassischen“ Faktoren wie längere Ausbildungszeiten, Schwierigkeiten bei der Partnerfindung oder beim Einstieg ins Erwerbsleben und mangelnder Vereinbarkeit von Familie und Beruf fündig: Gefragt nach den aktuellen Krisen – der Teuerung, dem Ukraine-Krieg und der Covid-19-Pandemie – zeigte sich laut Buber-Ennser „ganz klar“, dass viele Menschen ihren Kinderwunsch angesichts dessen verändert haben. Knapp ein Drittel der Befragten bezeichnete sich als davon negativ beeinflusst. Am stärksten belastet die Preisentwicklung die Menschen.

Wunsch aufgeschoben

In solchen krisenhaften Zeiten wird das Vorhaben, Kinder zu bekommen, oft aufgeschoben. „Freilich gibt es dann einen Teil derer, die das dann später nicht verwirklichen“, betonte Buber-Ennser. Das gelte in Österreich erstaunlicherweise sehr stark für Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen. Wie sich u.a. das entwickelt, wollen die Forscher mit einer Folgeerhebung in vier Jahren herausarbeiten.

„Wenn man die Herausforderungen der Eltern bedenkt, versteht man, warum sie offenbar dreimal überlegen, Kinder in die Welt zu setzen“, so Mazal zu den neuen Ergebnissen, die der GGP-Verbund in der Broschüre „Familien in Österreich. Partnerschaft, Kinderwunsch und ökonomische Situation in herausfordernden Zeiten“ zusammenfasst. Darin finden sich Beiträge von insgesamt 27 Wissenschafterinnen und Wissenschaftern. Diese sollten laut dem ÖIF-Leiter als „Anstoß zur Reflexion über gesellschaftliche Verhältnisse genutzt werden“. Das GGP wird vom Bundeskanzleramt und dem Bildungsministerium gefördert. (APA)

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