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Essen im Kino? Ein brandgefährliches Konfliktfeld!

Für manche gehört das Popcorn zum Blockbuster wie die Butter zum Brot. 
Für manche gehört das Popcorn zum Blockbuster wie die Butter zum Brot. AFP / Robyn Beck
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Eine spanische Kinokette muss Strafe zahlen, weil es Kunden den Konsum von Eigenware verbot. Kein Wunder: Popcorn spaltet die Gesellschaft.

Viel ist die Rede von der Spaltung der Gesellschaft. Doch einer der schädlichsten Spaltpilze bleibt meist unerwähnt. Es geht um die vielleicht brennendste Frage unserer Zeit: Essen im Kino – ja oder nein?

Für manche gehört das Popcorn zum Blockbuster wie die Butter zum Brot. Was wäre ein lauschiger Feierabend im Filmpalast unserer Wahl ohne kaloriengesättigte Gaumenberieselung, die dem vernunftbefreiten Bombast auf der Leinwand erst wahre Würze verleiht? Wenn schon ein „Guilty Pleasure“, dann bitteschön volle Wäsch’, mit Soße und Glasur!

Anderen treibt der bloße Gedanke an raschelnde Chipssackerln im Kino die Zornesröte ins Gesicht. Wie kann man sich nur erdreisten, unsere heiligen Stätten der Filmkunst mit unflätigen Schmatzgeräuschen zu entweihen, den holden (Pop-)Kulturgenuss mit vulgären Nacho-Bröseln und klebrigem Analogkäsebrei zu besudeln?

Und so kommt es im Multiplex oft, wie es kommen muss. Die einen schwelgen selbstvergessen in schamlosen Freuden ungezügelter Mastikation toxischer Leckereien. Andere fressen derweil steigenden Frust ob der ungustiösen Lärmbelästigung in sich hinein. Bis ihnen der Kragen platzt.

Dann dreht sich die an ihre Leidensgrenzen gebrachte Zuschauerin wutenbrannt um. Und fährt den ­sündigen Schlemmer in der Reihe hinter ihr an: „Können Sie bitte aufhören, so laut zu kauen?“ Der wiederum reagiert, aufgeschreckt aus glückseliger konsumistischer Trance, verdattert eingespeichelte Sportgummi-Stückerln spuckend, mit einem stotternden: „W-W-Wie bitte? Ich esse nur, das wird doch wohl erlaubt sein!“ Mampf.

Eine friedliche Beilegung dieses Konflikts ist leider nicht in Sicht. Zumal es ein offenes Geheimnis ist, dass der sogenannte Konzessionsstand, an dem Süßigkeiten, Puffmais und Kaltgetränke feilgeboten werden, der Goldesel vieler Kinobetreiber ist. Kein Hehl daraus machte bis vor Kurzem die spanische Kinokette Yelmo, die ihren Kunden ausdrücklich untersagte, auswärtig gekaufte Speis und Trank in ihre Lichtspielhäuser zu bringen.

Konsumentenschützer legten darob Beschwerde bei den Behörden ein: Diese Betriebspolitik führe zu einem „erheblichen Ungleichgewicht in den Rechten und Pflichten der Parteien“: Ein Kino sei in erster Linie dazu da, um Filme zu zeigen, nicht, um Essen zu verticken. Es könne sich nicht aufführen wie ein Restaurant, das würde Verbraucherrechte verletzen. Die Behörde gab den Anklägern recht, das Unternehmen muss blechen. Womöglich spielen aber auch politische Animositäten eine Rolle in der Causa: Die Kinokette ist spanisch, die Kritik daran wurde im Baskenland laut …

Der Stoff, aus dem Oscar-reife Gerichtsdramen sind! Geht es um Geld, verhärten sich die Fronten. Im Falle zwischenmenschlicher Differenzen in Sachen Kino-Knabberei plädieren wir indes für eine diplomatische Lösung: Es gibt Filme, die lassen sich ohne Popcorn kaum ertragen. Und hat nicht jeder ein Recht auf Schmerzmittel?

E-Mails an: andrey.arnold@diepresse.com

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