Laudatio

Konrad Paul Liessmann ist ein Jazzer der Redekunst

Wir kennen Konrad Paul Liessmann als einen keine Wunde schonenden Analytiker.
Wir kennen Konrad Paul Liessmann als einen keine Wunde schonenden Analytiker.Clemens Fabry
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Das persönliche Lob des Laudators heißt Dank: danke, lieber Konrad, dass du mich immer wieder und dabei immer freundschaftlich auf Vorurteile und Irrtümer aufmerksam machst, Dank dafür, dass deine philosophischen Deutungen mich immer wieder inspirieren.

Wer über einen großen Geist etwas sagen will, der tut gut, vorweg einen anderen großen Geist zu zitieren. Also denn: „Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht ­finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. Es braucht nicht eben ein scharfdenkender Kopf zu sein . . .“

So schrieb Heinrich von Kleist in seinem Essay „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“. – Eine „dunkle Vorstellung“ während des Redens gewinne Struktur, weil der Redner durch den Zuhörer gezwungen werde, „dem Anfang auch ein Ende hinzuzufügen“, also Anfang und Ende eines Gedankengangs miteinander zu verknüpfen, was dem Redner selbst Klarheit verschaffe und sich ihm auf diese Weise eine Sache erhelle, die er zuvor vielleicht nicht gesehen habe. Auf niemanden treffen Kleists Ausführungen mehr zu als auf Konrad Paul Liessmann und seine Art zu denken, nämlich in der Rede zu denken – auch dann, wenn er schreibt. Es gibt nämlich zwei Kategorien von Schriftstellern – und das ist kein Urteil über deren Qualität: Die einen sprechen beim Schreiben zu sich selbst und mit sich selbst, die anderen zu den Lesern oder den Zuhörern und mit ihnen. Konrad Paul Liessmann gehört zweifelsfrei zu Letzteren.

Mein Lieblingsbuch: „Alle Lust will Ewigkeit. Mitternächtliche Versuchungen“. Darin durchforscht der Autor das „Mitternachtslied“ aus „Also sprach Zarathustra“ von Friedrich Nietzsche – „Oh Mensch! Gieb Acht! Was spricht die tiefe Mitternacht . . .“ – Wort für Wort – tatsächlich Wort für Wort – sinnt er dem Gedicht nach, schafft Sinn, indem er Verbindungen knüpft, die uns zuvor nicht „in den Sinn“ gekommen wären. Besonders inspiriert haben mich seine Überlegungen zum Schlaf, der uns aus der Sphäre jeglicher Zivilisation hebt, und dem, obwohl dieser todesbrüderliche Zustand fast ein Drittel unseres Lebens umfasst, erst wenige umfassende phänomenologische Untersuchungen gewidmet sind.

Form – was ist das?

Zeuge zu sein, wie ein Gedanke entsteht, ist, als ob man zugegen wäre bei der Erschaffung einer Welt – und Welt ist immer Welt; es gibt nicht eine kleine und eine große, eine banale und eine hehre, eine mächtige und eine bescheidene. Aus den kleistschen Überlegungen spricht die Gewissheit, dass Inhalte sichtbar nicht erst werden, wenn sie jemand in Form bringt, sondern dass Inhalte ohne Form gar nicht sind. Form – was ist das? Was kann sie sein, was soll sie sein? Rhythmus, Klang, Harmonie . . . Schönheit . . .

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