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Bitcoin & Blockchain

Elizabeth Warren gegen die Cypherpunks

Einer US-Senatorin ist es ein Dorn im Auge, dass Menschen selbst Wallets betreiben. Der Kampf um Privatsphäre zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte von Bitcoin.

Elizabeth Warren mag Bitcoin nicht. Und zwar wirklich nicht. Nur wenige Politiker bekämpfen die dezentrale Kryptowährung derartig heftig wie die streitbare US-Senatorin aus Massachusetts. Ihre Vorwürfe klingen wie aus einem Best-of der beliebtesten Anti-Bitcoin-Argumente: Kryptowährungen würden vor allem von Kriminellen, Terroristen und Geldwäschern, Schurkenstaaten und Drogenhändlern genutzt, meint sie. Bereits im Vorjahr hat die Politikerin der Demokratischen Partei einen Gesetzesentwurf eingereicht, den „Digital Asset Anti-Money Laundering Act of 2022“. Nun hat sie weitere Senatoren als Unterstützer gewonnen und auch ein paar Banken auf ihre Seite gezogen.

Das Gesetz soll „Schlupflöcher“ für Kriminelle und Terroristen schließen. Unter anderem sieht es vor, dass die KYC-Bestimmungen ausgeweitet werden. KYC steht für „Know your customer“ („Kenne deinen Kunden“) und bedeutet, dass Banken ihre Kunden und die Herkunft sowie die Verwendung ihres Kapitals streng durchleuchten müssen. Diese Bestimmungen sollen ausgeweitet werden auf zahlreiche Bereiche des Krypto-Sektors: Auch Anbieter von digitalen Geldbörsen (Wallets), Miner, Validatoren und andere Netzwerkteilnehmer sollen diesen Bestimmungen unterliegen.

Für Terroristen wenig geeignet

Solche stellen aber vielfach nur Software zur Verfügung oder sind gar Privatpersonen. Wer eine private Wallet besitzt (Warren spricht von „unhosted“, also betreiberlosen, Wallets), kann Zahlungen an eine andere Person tätigen, ohne dass das jemand verhindern kann. Auch weiß man nicht automatisch, wer die Zahlung getätigt hat, man kann aber die Spur verfolgen. Privatpersonen könnten so Anti-Geldwäsche-Bestimmungen umgehen und Sank­tionen brechen, meint Warren. Banken und Betreiber von Bitcoin-Automaten sollen daher Transaktionen, in die solche Wallets verwickelt sind, strikt dokumentieren – was wohl oft dazu führen würde, dass solche Geschäfte nicht mehr stattfinden.

Warren hatte auch behauptet, dass die Hamas im großen Stil Kryptowährungen zur Terrorfinanzierung genutzt hätte. Die Blockchain-Analysefirmen Chainalysis und Elliptic widerlegten das, was Warren freilich zu keiner Meinungsänderung bewog.

Warrens Entwurf, sollte er zum Gesetz werden, könnte weite Bereiche des Kryptosektors handlungsunfähig machen, meinen Kritiker. Dass er durchgeht, gilt jedoch als unwahrscheinlich: Von 305 Entwürfen, die Warren bisher initiiert hat, war laut der Plattform Blocktrainer kein einziger erfolgreich. Auch diesmal dürfte Warrens Vorschlag den meisten Abgeordneten zu extrem sein.

Doch eignet sich Bitcoin überhaupt so gut für kriminelle Aktivitäten? Tatsächlich ist es gar nicht so leicht, im großen Stil Bitcoin zu waschen. Transaktionen sind auf der Blockchain nämlich grundsätzlich nachverfolgbar, wenn auch pseudonym. Freilich gibt es auch Möglichkeiten wie Mixer (ein Privatsphäre-Tool, das Warren ebenfalls verbieten will), mit denen man die Spur der Transaktionen verwischen kann. Doch auch das ist gar nicht so leicht, wie der Fall von zwei Hackern zeigt, die im Jahr 2016 120.000 Bitcoin von der Kryptobörse Bitfinex gestohlen hatten. Jahrelang versuchten die beiden, ihre Spuren zu verwischen, indem sie die Bitcoin durch Mixer jagten und gegen Gold, Geschenkkarten und andere Kryptowährungen tauschten. Das FBI kam dennoch auf ihre Spur und konnte zudem 94.000 Bitcoin sicherstellen, da die beiden die Zugangsdaten auf einem Computer gespeichert hatten.

Auch Hacker hatten kein Glück

Sprich: Große Geldsummen mit Bitcoin zu waschen ist schwierig bis unmöglich. Auch die Hamas nimmt laut der Analysefirma Elliptic seit Monaten keine Krypto-Spenden mehr entgegen, weil die US-Behörden so viele Spender ausfindig machen konnten.

Dennoch ist die Privatsphäre für normale Nutzer auf der Bitcoin-Blockchain bis zu einem gewissen Grad gewahrt: Behörden müssen sich gezielt auf die Spur von jedem einzelnen Verdächtigen machen. Eine Liste, wer welche Transaktionen getätigt hat, gibt es nicht, auch eine lückenlose Verfolgung des Wegs eines jeden einzelnen Sato­shi (kleinste Bitcoin-Einheit) ist nicht möglich.

Die Cypherpunks, jene Bewegung, aus der auch Bitcoin entstanden ist, kämpfen bereits seit den Neunzigerjahren für Privatsphäre im Internet. Auf den Staat und seine Einsicht verließen sie sich dabei nicht. Sie setzten auf Verschlüsselung, also auf Kryptografie. Doch starke Verschlüsselung war damals nur dem Militär zugänglich. Die US-Regierung unter Bill Clinton wollte sich auch vorbehalten, E-Mails einsehen zu können, freilich nur zu hehren Zielen wie Verbrechensbekämpfung.

Die Cypherpunks sahen das anders: Sie schreiben Verschlüsselungssoftware wie PGP (Pretty Good Privacy) und veröffentlichten diese als Open-Source, um sie allen zugänglich zu machen. „Cypherpunks write code“, soll Eric Hughes, der Autor des „Cypherpunk’s Manifesto“ gesagt haben. Sie fragen nicht um Erlaubnis, sie tun es.

Für die Cypherpunks waren Verschlüsselungsalgorithmen keine gefährliche Waffe, sondern Allgemeinwissen, das jedem zugänglich sein sollte. Sie druckten Codes auf T-Shirts und veröffentlichten sie in Büchern. „Im Laufe der Zeit führte die Kombination aus Protest, Siegen vor Gericht und der Entwicklung der SSL- und HTTPS-Standards durch Unternehmen wie Netscape dazu, dass Verschlüsselung nicht mehr als top secret eingestuft wird, sondern frei zugänglich und gar ein integraler Bestandteil des heutigen Internets wurde“, schreibt Raphael Schön in seinem Buch „Bitcoin“.

Wer braucht Privatsphäre?

Bitcoin ermöglicht direkte digitale Zahlungen zwischen zwei Personen, ohne dass eine Bank zwischengeschaltet wird, auf die der Staat Einfluss nehmen kann. Die Zahlungen sind zwar nicht anonym, aber pseudonym, was Behörden Möglichkeiten gibt, Verbrecher gezielt zu verfolgen, aber eine lückenlose Überwachung verunmöglicht. Auch Bitcoin ist allen zu­gänglich, der Code ist eine Open-Source-Software, jeder kann es nutzen, jeder kann eine Node be­treiben (das Netzwerk über­wachen), jeder kann nach Bitcoin schürfen, jeder kann Bitcoin-Zahlungen tätigen, keiner braucht um Erlaubnis zu fragen. Wer Bitcoin an einer Börse kauft, unterliegt zwar meist KYC-Bestimmungen, doch hat er die Bitcoin erst einmal auf seine Wallet transferiert, kann ihn keiner mehr an der Nutzung hindern. Die Technologie ist da. Software, die einmal geschrieben wurde, lässt sich nicht abschaffen. Nicht alle Politiker freut das.

„Wir können nicht erwarten, dass Regierungen, Unternehmen oder andere große, gesichtslose Organisationen uns Privatsphäre gewähren“, hatte Hughes in seinem Manifest geschrieben. „Wir verteidigen unsere Privatsphäre mit Kryptografie, mit anonymen Postweiterleitungssystemen, mit digitalen Signaturen und mit elektronischem Geld.“ Das war 1993. Inzwischen gibt es Bitcoin.

Auf einen Blick

Der Bitcoin-Preis hatte am 8. Dezember zeitweise die Marke von 44.500 Dollar übersprungen. Damit hat er sich heuer mehr als verdoppelt. Inzwischen ist er aber wieder etwas zurückgefallen. Manche führen das auf die Anti-Bit­coin-Politik der US-Senatorin Elizabeth Warren zurück. Die ist aber nicht neu. Tatsächlich dürfte es sich um eine Korrektur nach dem steilen Höhenflug handeln.

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