Sozialversicherung

Wie die Kasse hunderte Ärzte finden will

Viele Kassenstellen sind nicht besetzt - jetzt kommen neue dazu.
Viele Kassenstellen sind nicht besetzt - jetzt kommen neue dazu. Clemens Fabry
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Die Österreichische Gesundheitskasse will gezielt Mediziner ansprechen – auch mit finanziellen Zuschüssen. Bevorzugt sollen Primärversorgungszentren entstehen.

300 Planstellen für Kassenärzte sind derzeit unbesetzt – und ab Jänner kommen 100 weitere dazu: Im Zuge der Gesundheitsreform hat der Nationalrat erst vergangene Woche diese Ausweitung beschlossen, um den Bereich der niedergelassenen Ärzte zu stärken.

Doch können diese Stellen angesichts der Ärztemangels überhaupt besetzt werden? Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), mit 7,5 Millionen Versicherten die bei weitem größte Kasse, zeigt sich optimistisch. Man werde gezielt Ärztinnen und Ärzte anwerben, sagte Moritz Mitterer, Vorsitzender der Hauptversammlung der ÖGK, am Dienstag. Und dabei glaubt er, gute Argumente auf seiner Seite zu haben: „Wir müssen ihnen die Attraktivität eines Kassenvertrags näher bringen“. Denn dieser biete durchaus ein hohes und sicheres Einkommen.

Am Dienstag ging auch eine eigene Website („www.meineeigenepraxis.at“) in Betrieb, bei der sich Interessenten informieren und anmelden können. Im Gegensatz zu früher werden nicht einzelne Planstellen ausgeschrieben, sondern Gespräche mit Interessenten geführt, die sich vorstellen könne, einen Kassenvertrag in einem Bundesland anzunehmen. Die hundert neuen Kassenstellen werden regional über ganz Österreich verteilt, die Hälfte davon entfällt auf Allgemeinmediziner. In unattraktiven Regionen plant die ÖGK auch einen Startbonus von bis zu 100.000 Euro, um Interessenten anzulocken. Für interessierte Studentinnen und Studenten soll es auch ein Buddy-System geben. Man sei sehr zuversichtlich, die neuen Stellen bereits in den kommenden Monaten besetzen können, so der Mitterer.

Vorrang für Primärversorgungszentren

Ein großer Teil der neuen Stellen ist für Primärversorgungszentren (PVZ) vorgesehen, also für Gruppenpraxen von mehreren Medizinern gemeinsam mit Angehörigen anderer Gesundheitsberufe. Diese Form der interdisziplinären Zusammenarbeit ist für junge Mediziner attraktiver, als die Einzelpraxis, gibt sich die ÖGK-Spitze überzeugt. Denn dies ermögliche auch flexible Arbeitszeiten und bei Bedarf Teilzeitbeschäftigung. Derzeit gibt es in Österreich bereits 50 PVZ, zehn weitere werden im nächsten Quartal aufsperren. Eines davon in Tirol, womit es dann in jedem Bundesland zumindest ein PVZ geben wird. Im Rahmen der Verhandlungen über die Regionalen Strukturpläne Gesundheit bis 2030 denkt Andreas Huss, derzeit Obmann der ÖGK, auch schon über einen Ausbau auf 300 PVZs nach.

Mit dem neuen Finanzausgleich und der damit einhergehenden Gesundheitsreform zeigte sich Huss grundsätzlich zufrieden, habe man doch 300 Millionen Euro zusätzlich erhalten. Allerdings sieht Huss – er kommt aus dem ÖGB und Arbeitnehmervertreter in der ÖGK – eine grundsätzlich falsche Weichenstellung. Denn eigentlich sei es das Ziel gewesen, die Patientenströme von den Spitälern weg in den niedergelassenen Bereich zu lenken. Doch mit der Gesundheitsreform hätten die Spitäler 600 Millionen Euro zusätzlich erhalten, also doppelt so viel, wie der niedergelassene Bereich. „Da ist Geld falsch verteilt worden“, so Huss.

Vorhaben, für die zusätzliche Mittel benötigt würden, gebe es genug: Ein österreichweit einheitlicher Leistungskatalog für die Patienten sei ebenso notwendig, wie ein einheitliches Honorarniveau für die Ärzte. Beides gebe es nicht zum Nulltarif. Zudem wolle man Leistungen, die derzeit in Spitalsambulanzen erbracht werden, auch bei den Fachärzten anbieten.

380 Millionen Euro Defizit

Apropos Finanzen: Für heuer schreibt die ÖGK ein Defizit von 380 Millionen Euro, auch für die kommenden Jahre sind Abgänge prognostiziert. Das lässt sich derzeit noch mit den Rücklagen abdecken, doch in einigen Jahren werde die ÖGK zusätzliche Mittel aus dem Steuertopf benötigen.

Mehrkosten kommen auf die ÖGK jetzt schon wegen Corona zu: Ab 1. Februar erfolgt die Abrechnung des zuletzt knapp gewordenen Covid-Medikaments Paxlovid über die Sozialversicherung, es steht dann also als normales Kassenmedikament zur Verfügung. Im Einkauf ist Paxlovid freilich teuer – eine Packung kostet rund 900 Euro, erklärte Huss. Die ÖGK verhandelt freilich mit der Pharmaindustrie Abschläge, wie viel man konkret für eine Packung zahlen muss, wollte Huss nicht bekanntgeben. Der Preis dürfte in etwa so hoch wie jener sein, den der Bund gezahlt hat, also um die 700 Euro. Die ÖGK geht jedenfalls von 30 Millionen Euro Kosten für Paxlovid pro Jahr aus.

Zusätzlich müsse man dazu auch mit der Ärztekammer ein Testregime aufbauen, denn Voraussetzung für die Verschreibung von Paxlovid ist ein positiver Covid-Test. Das Medikament soll nur an Risikogruppen ausgegeben werden und nur, wenn man noch nicht länger als fünf Tage Symptome hat. 15 Millionen Euro hat die ÖGK für die Tests eingeplant. Dazu kommen noch die Kosten für Krankenstände wegen Long Covid. Dies und andere zusätzliche Kosten führe dazu, dass der ÖGK von den 300 Millionen Euro netto nur 180 übrig bleiben, rechnet Huss vor.

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