Wort der Woche

Bio statt Erdöl?

Biobasierte Produkte sollen in Zukunft Materialen aus Erdöl ersetzen. Die ökologischen Vorteile sind allerdings nicht so groß, wie man vielleicht erwarten würden. 

Eine biobasierte Wirtschaft ist der Traum vieler umweltbewusster Menschen, und sie ist auch das Ziel der europäischen Politik – Stichwort „Green Deal“: Anstelle von fossilen Rohstoffen, auf denen derzeit Energieversorgung und Güterproduktion beruhen, sollen in Zukunft nachwachsende Rohstoffe die materielle Basis unseres Lebens werden. So wie es Jahrtausende lang war, allerdings heute mit fortgeschrittenen Technologien.

In Forschungslabors wurden und werden unzählige neue Biomaterialien entwickelt, in die Praxis haben es bisher aber kaum welche geschafft – meist aus preislichen Gründen. Zudem wird immer wieder hinterfragt, ob ein kompletter Ersatz fossiler Rohstoffe in ökologischer Hinsicht sinnvoll ist. Denn auch biobasierte Produkte haben vielerlei Auswirkungen auf die Umwelt, verursachen Emissionen und Abfall.

Eine internationale Gruppe von Forschenden um Emma Zuiderveen (Radboud University, Nijmegen) hat nun aus 130 Studien Daten von Lebenszyklusanalysen für 98 derzeit in Entwicklung befindliche biobasierte Produkte zusammengestellt – von Biokunststoffen und Grundchemikalien über Bioschmiermittel und Wachsester bis hin zu Ligninpulver und Tanninklebern. Das Ergebnis zeigt einerseits, dass die Treibhausgasemissionen von biologischen Alternativen im Durchschnitt um 45 Prozent niedriger sind. Andererseits weisen die verschiedenen Technologien aber eine sehr große Streuung auf – von minus 83 bis plus 35 Prozent; und keine einzige Technologie schafft „zero emissions“. „Biobasierte Lösungen sind keine Garantie für eine Reduktion der Emissionen“, so ein zentraler Schluss der Forschenden (Nature Communications, 21. 12.).

Der wirkliche Pferdefuß bei biobasierten Materialien sind die Rohstoffe selbst: Biomasse ist zwar eine erneuerbare Ressource, aber nicht unerschöpflich. Vielmehr konkurriert ihre Produktion mit Flächen für Nahrungs- und Futtermittel bzw. mit Naturschutzgebieten. Und diese Konkurrenz nimmt zu: Laut einer aktuellen Studie des EU Joint Research Centers („Biomass supply and uses in the EU“; EUR 31727 EN) wächst die Biomasseproduktion in Europa – derzeit rund eine Mrd. Tonne Trockensubstanz – stetig. Die EU-Forschenden halten fest, dass Biomasse den „Green Deal“ nur „bis zu einem gewissen Ausmaß“ unterstützen könne.

Ein simpler Ersatz fossiler durch biobasierte Rohstoffe funktioniert also nicht – da sind viel mehr Änderungen in unserem Wirtschaftssystem nötig.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist nun Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com
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