Ukraine-Krieg

Anti-Radar-Raketen gegen russische Grenzregion

Symbolbild: EA-18G-Jets (Growlers) der US-Marine starten Anti-Radar-Raketen vom Typ Harm, anno 2022.
Symbolbild: EA-18G-Jets (Growlers) der US-Marine starten Anti-Radar-Raketen vom Typ Harm, anno 2022.U.S. Navy
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Ukrainer schossen mehrere amerikanische „Harm“-Raketen zur Bekämpfung von Bodenradar nach Belgorod, ein anderes russisches Geschoss flog derweilen kurz über Polen.

Kiew/Moskau/Warschau. Die Ukrainer dürften am Freitag Anti-Radar-Raketen des US-Typs „Harm“ in russisches Kernland geschossen haben. Aus dem Verteidigungsministerium in Moskau hieß es, es seien drei solcher Raketen in der Region Belgorod von der Flugabwehr zerstört worden. Über weitere war nichts bekannt.

Bisher war nur ein Harm-Einsatz gegen russisches Gebiet bekannt, im Dezember 2022. Die AGM-88 Harm (Abk. für High-Speed Anti-Radiation Missile) von Texas Instruments (heute: Raytheon), gebaut seit 1983, wird von Flugzeugen gegen Radaranlagen am Boden eingesetzt und hat in den häufigsten Versionen je nach Einsatzprofil 25 bis 150 Kilometer Reichweite; eine reichweitengesteigerte Variante kommt auf 300 km. Der Suchkopf leitet die Rakete auf dem registrierten Radarstrahl in Richtung dessen Senders, quasi wie eine Fliege ins Licht; das Ziel wird dabei automatisch erfasst oder vom Piloten vorgegeben.

Bei den ersten Versionen der Harm konnte das einmal vom Radarsuchkopf erfasste Ziel sich noch retten, indem man das Radar einfach abschaltet, doch mittlerweile wird die Position der erkannten Radarquelle auch mit GPS-Hilfe fixiert; Abschalten ist nutzlos, sofern das Radargerät nicht fahrbar ist und sich schnell entfernt.

Modifiziert für sowjetrussische Jet-Modelle

Die Taktik von Bodenradars zum Selbstschutz besteht etwa darin, dass sie abwechselnd nur jeweils einige Sekunden „leuchten“ und dann wieder abschalten; es sind auch elektronische Störmaßnahmen denkbar. Außerdem zählen Harms nicht zur Standardbewaffnung eines jeden Kampfflugzeugs der vielen Besitzerstaaten wie USA, Australien, Deutschland, Israel, Spanien, Griechenland und Türkei, sondern werden typischerweise im Rahmen spezialisierter Flugeinheiten zur Unterdrückung der Flugabwehr benützt. Der Gegner weiß leider nicht unbedingt, ob er solche oder „normale“ Kampfjets vor sich hat.

Ukrainische Su-27 Flanker mit zwei Harm-Raketen (s. Pfeile).
Ukrainische Su-27 Flanker mit zwei Harm-Raketen (s. Pfeile). Militarnyi

Die Ukraine ist der erste Anlassfall, dass Harms für den Einsatz von Flugzeugen sowjetrussischen Typs aus modifiziert worden sind, das geschah bis zum Sommer des Vorjahrs. Als Träger dienen diesfalls MiG-29 und Su-27-Jets.

Russland deckte derweil in der Nacht auf Freitag die Ukraine mit der bisher größten Welle an Luftangriffen ein. Nicht überprüfbaren Angaben zufolge flogen fast 160 Marschflugkörper, Boden-Boden-Raketen und Drohnen heran, bis in die Westregion Lwiw (Lemberg). Angeblich wurden 70 Prozent davon abgefangen. Ziele waren etwa Kraftwerke, Fabriken, Militäranlagen, doch traf es auch Privathäuser, Geschäftszentren. Mindestens 18 Menschen starben, mehr als 100 wurden laut Angaben aus Kiew verletzt.

Rakete in Polens Luftraum

Eines der Geschosse drang kurz in polnischen Luftraum ein. Es habe von der Ukraine kommend die Grenzregion bei Zamość 40 Kilometer weit gequert und flog retour in die Ukraine. Die Beschreibung samt Aussagen von Augenzeugen deutet auf einen Marschflugkörper hin, der mit Ziel Lwiw einen Bogen über Polen flog. Im November 2022 war eine ukrainische Flugabwehrrakete auf ein Feld in Polen gefallen, zwei Arbeiter starben. (wg/ag.)

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