Film

„Priscilla“: Elvis Presleys kleines Püppchen

Von der Traumhochzeit zur stillen Ehehölle: Jacob Elordi und Cailee Spaeny als Elvis und Priscilla Presley in Sofia Coppolas Filmbiografie „Priscilla“.
Von der Traumhochzeit zur stillen Ehehölle: Jacob Elordi und Cailee Spaeny als Elvis und Priscilla Presley in Sofia Coppolas Filmbiografie „Priscilla“.Stadtkino
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Sofia Coppola erzählt in ihrem jüngsten Film von den Jahren, die Priscilla Presley mit dem „King of Rock‘n‘Roll“ verbrachte – und lässt diese dabei nicht aus dessen Schatten treten.

Ein Hündchen steht in freudiger Erwartung vor der Terrassentür, sein Fell ist plüschig und weiß. Wie alles hier in der Villa, die sich Graceland nennt. Ein Geschenk von Elvis Presley – für Priscilla Beaulieu, die gerade für ihn nach Amerika gezogen ist, aus Wiesbaden, wo ihr Stiefvater als Air-Force-Offizier stationiert ist. Mit nur 17 Jahren, den Schulabschluss noch nicht in der Tasche. Was für ein nettes Willkommensgeschenk des abwesenden Rock‘n‘Roll-Stars! So ein Hündchen ist ja immer für sein Herrchen da und begrüßt einen stets mit Begeisterung, egal, wie lange man weg war, ist süß herausgeputzt, liebreizend, trostspendend.

Und Elvis Presley? Der braucht kein Hündchen. Er hat Priscilla.

In letzter Zeit gab es einige, oft als feministische Neudeutung beworbene Filmbiografien über weibliche Kulturikonen und die tragischeren Seiten ihres Lebens: über Marilyn Monroe („Blonde“), Prinzessin Diana („Spencer“), „Emily“ Brontë, „Judy“ Garland, etc. „Priscilla“ von Regie-Großmeisterin Sofia Coppola, ab 4. Jänner in heimischen Kinos zu sehen, reiht sich da in einiger Hinsicht ein.

Doch alle, die sich eine Erzählung erwarteten, die Priscilla Presley zur missverstandenen Heldin macht, sie aus dem Schatten des „King“ treten lässt, enttäuscht Coppola: Mit zarten, pastelligen Pinselstrichen gegen den Zeitgeist gebürstet, zeigt der Film über weite Strecken ein hilf- und machtloses Mädchen, das sich seinem Schicksal als vom Vater zum Ehemann gereichtes Püppchen fügt. Eine unmodische Interpretation, mit der Coppola ihr Publikum herausfordert: Was sagt es über uns, wenn wir uns eine womöglich revisionistische Ermächtigungsstory erhofft hatten?

Blickt der Film hinter die Ikonografie, hinter Föhnfrisuren und falsche Wimpern? Ja. Zeigt uns der Film die Person, die hinter „Elvis’ Ehefrau“ steckt? Kaum. Denn, so wird hier vermittelt: Viel war da nicht. In den 14 Jahren, die Sofia Coppola in 113 Minuten aufrollt (1959 lernen die beiden sich kennen, 1973 lässt sie sich scheiden), scheint Priscilla nicht mehr zu sein als eine Figur, die nur im Verhältnis zu einer anderen, größeren existiert. Für die es nur zwei Seinszustände gibt: Von Elvis wahrgenommen zu werden. Oder in stiller Einsamkeit zu versinken. Andere Gefühle zeigt diese Priscilla nicht. Wozu auch, wenn sie ohnehin niemand wahrnehmen würde?

Elvis, der große Bestimmer

So rauscht der Film auf durchaus deprimierende Weise von Momentaufnahme zu Momentaufnahme. Die 14-jährige Priscilla (Cailee Spaeny), die alleine in einem Diner auf einem US-Luftwaffenstützpunkt in Westdeutschland ihre Hausaufgaben macht, als sie gefragt wird, ob sie Elvis Presley kennenlernen möchte. Das Mädchen und der 24-jährige Rekrut (Jacob Elordi), auf einer Couch sitzend, komisch angespannt, als hätte sie jemand zu verkuppeln versucht. Ob sie nicht in sein Zimmer gehen wolle, fragt Elvis, von Heimweh und Sorgen um seine Karriere geplagt, da sei es ruhiger, er würde gleich nachkommen. Zaghafte Küsse, kleine Geschenke. „Versprichst du mir, dass du so bleibst, wie du bist?“, fragt Elvis, bevor er alleine in die USA zurückkehrt.

Cailee Spaeny in „Priscilla“ von Sofia Coppola.
Cailee Spaeny in „Priscilla“ von Sofia Coppola.Stadtkino

Bald folgt sie ihm nach Memphis, zieht in seine Villa, er organisiert ihr einen Platz in einer katholischen Schule. Nachmittags würde sie gern arbeiten, er verbietet es: „Wenn ich dich anrufe, musst du für mich da sein.“ Elvis selbst ist es kaum, er dreht Filme in Hollywood. Dann ist er wieder einmal in Graceland: Er mustert Priscilla. „Schwarze Haare und mehr Augen-Makeup“, bestellt er. Er geht mit ihr shoppen, steckt sie in allerlei Kleider, wählt aus, was ihr steht. „Finger weg von Gemustertem!“ Nur beste Absichten habe er, erklärt er am Telefon Priscillas Vater. Nicht ausgeschlossen, dass dessen Vorstellungen über die Zukunft seiner Tochter gar nicht so weit von jenen Elvis’ abweichen.

Weitere Szenen? Priscilla spricht Elvis auf eine Affäre an, von der sie aus der Zeitung erfahren hat. Er beschimpft sie daraufhin als zu anspruchsvoll und droht, sie zu ihren Eltern zurückzuschicken. Elvis gibt Priscilla LSD: Das würde ihnen zu einer tieferen Verbindung verhelfen. Elvis drückt ihr einen Ring in die Hand und sagt: „Wir werden heiraten.“ Es ist kein Antrag, es ist ein Beschluss.

Mit Cailee Spaeny hat Coppola – die ja gewissermaßen spezialisiert ist auf einsame Frauenfiguren („The Virgin Suicides“, „Lost in Translation“, „Marie Antoinette“) – ein Talent entdeckt. Die heute 25-Jährige spielt Priscilla mit hypnotischer Zurückhaltung und großen Augen als hübsches, schüchternes Mauerblümchen. Jacob Elordi („Euphoria“, „Saltburn“) gibt Elvis auf beiläufige Art als unwillkürlichen Kotzbrocken – was zum Film passt: Um Elvis geht es hier gar nicht so sehr (auch seine Musik kommt nicht vor), eher um das Wenige, das dieser seiner Priscilla an Persönlichkeit, Eigenständigkeit und Wachstum zugesteht. Am liebsten würde er sie sich als unberührtes Mädchen bewahren, das ihm zur Verfügung steht, das zu beanspruchen ihn aber kaum interessiert. Sex hält er lange zurück, auch nachdem Priscilla immer wieder ihr eigenes Begehren mitteilt: „Noch nicht.“

Komplizierte Familiendynamik

„Priscilla“ basiert auf „Elvis and me“ (1985), der Autobiografie von Priscilla Presley, die mit dem Film sehr zufrieden sein soll (obwohl sie darin als stumpfes Dummerchen wegkommt, das die Schule nur mit Schummeln schafft). Ihre mittlerweile verstorbene Tochter Lisa Marie Presley hingegen soll ihn in E-Mails, über die das Branchenblatt „Variety“ berichtete, scharf kritisiert haben – weil ihr Vater Elvis darin so schlecht dargestellt würde. Eine komplizierte Familiendynamik. Die Coppola mit ihrem stillen, intimen Filmporträt gewissermaßen vorwegnimmt.

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