Marc Chagall in der Albertina: „Das gelbe Zimmer“, 1911.
Die große Vorschau

Wiener Ausstellungen 2024: Gauguin, Chagall, Wurm - und das Jahr der Direktoren-Abschiede

Wie Klaus Albrecht Schröder in der Albertina und Sabine Haag im Kunsthistorischen Museum ihre letzten Saisonen programmierten. Und: Gauguin im BA Kunstforum, Neue Sachlichkeit im Leopold Museum.

Eine Ära geht dieses Jahr in den großen Wiener Museen zu Ende. Gleich zwei Persönlichkeiten, die in den vergangenen Jahrzehnten die Museumslandschaft prägten, verabschieden sich: Klaus Albrecht Schröder leitet seit 1999 die Albertina, Sabine Haag das Kunsthistorische Museum seit 2009. Ein wenig sentimental kann man da schon werden, wie auch immer man die jeweiligen Leistungen beurteilen mag, für Abschiedsinterviews und Resümees wird die Zeit noch kommen.

Für einen Einblick in die Gefühlslage erreichte die „Presse“ Schröder kurz vor seiner Reise in die USA, wo er eine seiner letzten Ausstellungen bespricht, mit Robert Longo, mit dem er sein Programm in der neu eröffnenden Albertina 2003 auch gestartet hat. Von Abschiedsgefühlen will Schröder noch nicht sprechen, zu stolz sei er auf den Erfolg des vergangenen Jahres, in dem er über 1,2 Millionen Besucher und einen Rekord an Jahresumsatz erzielen konnte. „2024 wird sich ordentlich anstrengen müssen, wenn es genauso gut werden möchte“, meint er.

Tatsächlich sei es die letzte ganze Saison, die er programmiere, sein Nachfolger Ralph Gleis werde nur einige Ausstellungen noch übernehmen, die wegen Karenzen oder Krankheitsfällen im Team verschoben werden mussten, eine Leonardo-da-Vinci-Schau etwa, die Schröder ein Herzensanliegen war, oder die Rubens-Zeichnungen.

Viele Verschiebungen

Was werden also seine persönlichen Höhepunkte 2024? Sicher die Centennial-Ausstellung zum 100. Geburtstag von Roy Lichtenstein (8. 3. bis 14. 7.). 90 Werke des Pop-Art-Großmeisters kann die Albertina mit einem immensen Leihgeberaufwand versammeln. Parallel dazu wird in der Albertina Modern die Schönheit der Diversität gefeiert, „Beauty of Diversity“ musste ebenfalls verschoben werden, jetzt wird die Durchforstung der Sammlung unter Kriterien größerer Vielfalt nachgeholt.

Großer Name

Im Herbst, ab 28. September, verspricht eine große Retrospektive auf Marc Chagall ein Publikumserfolg zu werden. Obwohl, so Schröder, auch diese Ausstellung unter keinem günstigen Stern steht. 20 Hauptwerke, die aus Russland hätten kommen sollen, stünden nicht zur Verfügung. Er sei froh, wenn er die versprochenen israelischen Leihgaben bekomme. Angekündigt sind dennoch 100 Werke des 1887 in Witebsk im heutigen Belarus geborenen jüdischen Malers. Fast 100 Jahre war er, als er 1985 in Saint-Paul-de-Vence starb.

Erwin Wurm wird dagegen fröhliche 70 erst im Juli. Im September wird das in der Albertina Modern gefeiert. 2006 war es, als Wurm im Mumok seine letzte umfassende Ausstellung in Wien hatte. Wird er jetzt vielleicht auch auf das Künstlerhaus ein Einfamilienhaus krachen lassen? Auf den Kopf des Bauunternehmers, der dort sein Büro hat? Hoffentlich nicht.

Für die Frauenquote in Schröders Abschiedsjahr – immerhin hat er sich dahingehend über die Jahre verbessert – sorgen die Feministische-Avantgarde-Sammlung des Verbunds und Eva Beresin: Die seit 1976 in Wien lebende ungarische Malerin fantastisch-grotesker Szenen kann man hier erstmals in ihrer Wahlheimat breiter kennenlernen.

Und Sabine Haag im Kunsthistorischen Museum? Bleibt ihrer strikten Alte-Meister-Schiene bis zuletzt treu. Während international die Alten Meisterinnen für Furore sorgen – mit mehreren laufenden Gruppenausstellungen und der Royal Academy in London, die 2024 Angelika Kauffmann zeigt – ist im KHM im wahrsten Wort alles beim Alten: Die große Frühjahrsausstellung 2024 widmet sich ab 19. März den drei Wegbereitern der Renaissance im Norden, Hans Holbein d. Ä., Hans Burgkmair d. Ä. und Albrecht Dürer. Im Herbst wird die Schau beim Kooperationspartner, dem Städel Museum Frankfurt, zu sehen sein.

Zwei weitere Herren markieren den Abschied von Haag im Herbst: „Rembrandt – Hoogstraten“ erzählt eine barocke Geschichte vom Meister und seinem Schüler. Samuel van Hoogstraten (1627–1678) gab in seinen Schriften sogar genaue Einblick in die Werkstattpraxis und ins künstlerische Denken des berühmten Lehrers. Klingt ein wenig theoretisch, umfasst aber auch Leihgaben aus der halben Welt, vom Metropolitan Museum bis zum Louvre.

Ebenfalls ihrem Ende zu neigt sich die Zeit von Karola Kraus im Museum moderner Kunst. Ihr Vertrag läuft zwar noch bis Ende 2025, aber der Posten ist bereits ausgeschrieben und ein halbes Jahr Programm muss man auch abziehen – das Mumok hat bis Sommer wieder einmal aufgrund von Renovierungsarbeiten geschlossen. In der zweiten Jahreshälfte aber lernen wir hier überraschend Neues, nämlich den Konkurrenten von Auguste Rodin kennen: Medardo Rosso (1858–1928) gilt als Erneuerer der Skulptur und bisher als unterschätzt. Das Mumok stellt den französisch-italienischen „Proto-Installationskünstler“ mit rund 50 Skulpturen sowie Fotos, Collagen und Zeichnungen vor.

Kunsthalle Wien neu übernommen

Noch ein Abschied gefällig? Das Zagreber Kuratorinnen-Kollektiv „What, How & for Whom“ gibt Mitte des Jahres die Leitung der Kunsthalle Wien an Michelle Cotton ab. Eine Doppelausstellung von Rene Matić und Oscar Murillo (14. 3. bis 28. Juli) und eine große Wiener-Festwochen-Ausstellung zur revolutionären Kraft und Symbolik der Sonne bilden den Abschluss. Mit bekannteren Namen hat man hier gegeizt, eine gewisse jüngere Szene oder Nische dagegen liebevoll bedient.

Aber für die großen Namen ist neben der Albertina das BA Kunstforum der Garant. Paul Gauguin im Herbst (3. 10. bis 19. 1. 2025) verspricht dahingehend wohl die Wiener Ausstellung des Jahres zu werden. Seit 60 Jahren ist es die erste große Gauguin-Schau in Wien. Kuratorin Evelyn Benesch jongliert mit 80 Leihgaben aus der ganzen Welt, um ein Gesamtbild zu schaffen. Schwierig und interessant genug bei diesem zuletzt schwer unter postkolonialer und politisch korrekter Observanz stehendem Meister. Der er immer noch ist.

Unter diesen Gesichtspunkten alles richtig macht 2024 das Belvedere: Nach seinem Rekordjahr 2024 mit 1,8 Millionen Besuchern kann man sich darauf jetzt einmal getrost konzentrieren. Man eröffnet im Februar mit einer Ausstellung über die ukrainische Moderne. Geht weiter mit einer schönen Retrospektive über Hannah Höch und einer programmatischen über Broncia Koller-Pinell. Und zeigt erstmals in Wien eine potente Schau über den jungen ghanaischen Kunstmarktstar Amoako Boafo, der in Wien seine Karriere begonnen hat.

Neue Klima-Biennale

Was blüht den Menschen, die Gutes suchen, 2024 noch? Eine neue Klima-Biennale (5. 4. bis 14. 7.), die im Kunst Haus Wien ihr Hauptquartier aufschlagen wird. Eine ähnliche Biennale (for Change) war lang im MAK beheimatet. Und jetzt? Protestarchitektur (14. 2. bis 25. 8.) und im Herbst: „Peche Pop“, der Einfluss Dagobert Peches auf die Gegenwart, das wird bunt und schön.

Der „Poesie des Ornament“ folgt man zeitgleich auch im Leopold Museum: Das Archiv von Backhausen wird dort bearbeitet, recht und würdig nur. Rudolf Wacker (13. 11. bis 9. 3.) und die „Neue Sachlichkeit in Deutschland“ sind hier aber die zentralen Ausstellungen. Mehr Wien um 1900 gibt es im neuen Wien Museum: Die profunde Ausstellung zu den Secessionen in Wien, Berlin, München kommt ab Mai aus der Alten Nationalgalerie in Berlin. Eingeweiht wird das große, aufgesetzte Sonderausstellungsgeschoß aber schon am 1. Februar – mit der ultimativen Fischer-von-Erlach-Ausstellung. Nicht nur Abschiede also 2024. Nicht nur.

Highlights

Paul Gauguin im BA Kunstforum (3. 10. bis 19. 1. 2025)

Marc Chagall in der Albertina (28. 9. bis 9. 2)

Erwin Wurm in der Albertina Modern (ab 13. 9.)

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