Gastkommentar

Nein, Gaza ist nicht Auschwitz. Stoppt die Täter-Opfer-Umkehr!

Indem man dem Krieg in Gaza zum „Völkermord“ erklärt, soll dem Staat Israel das Etikett des ultimativen Verbrechens umgehängt werden. Dieser Vorwurf ist materiell und rechtlich unbegründet.

Unter den gegen Israel erhobenen Vorwürfen sind der Vergleich zwischen dem Schicksal der Palästinenser heute und dem der Juden während der Shoah, aber auch die falsche Anschuldigung des „Völkermords“ ein verwerflicher Höhepunkt.

Die Formel ist bekannt: „Die Dinge falsch zu benennen bedeutet, das Unglück dieser Welt zu vergrößern“, schrieb Albert Camus 1944. Während die Anhörung Israels gegen Südafrika diese Woche vor dem Internationalen Strafgerichtshof stattfinden soll, gibt es viele Akteure in der öffentlichen Debatte, die auf diese falschen Anschuldigungen zurückgreifen, vom wegen Antisemitismus abgewählten Labourchef Jeremy Corbyn über den türkischen Präsidenten Erdogan, der Netanyahu mit Hitler vergleicht, von den zahlreichen Hamas-Unterstützern, die auf Demonstrationen „Vom Fluss (Jordan) bis zum (Mittel-)Meer“ rufen, bis hin zu bestimmte internationale Gremien.

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Ohne das berechtigte Mitgefühl für das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung, die israelischen Opfer und Geisel dieses von der Hamas begonnenen Krieges zu schmälern, müssen diese Anschuldigungen Südafrikas entschieden zurückgewiesen werden.

Was bedeutet dieser Vorwurf?

Was bedeutet denn dieser Vorwurf des Völkermords? Was bedeutet diese Nazifizierung Israels? Indem man dem Krieg in Gaza das Bild des Völkermords umstülpt, soll dem Staat Israel das Etikett des ultimativen Verbrechens angehängt werden. Dieser Vorwurf ist materiell und rechtlich unbegründet, eine Perversion der Ereignisse und zielt tatsächlich auf andere, politische Ziele ab.

Erstens verwandelt diese Umkehrung, den Zufluchtsstaat Israel für die Opfer der Shoah und all jene, die bis heute vor dem Antisemitismus fliehen, in einen Staat der Täter und zielt darauf ab, den moralischen Kompass der Öffentlichkeit zu ändern. Die symbolische Bezeichnung Israels als Nazi- und Apartheitstaat entlastet die Anschuldigung des europäischen Gewissens von der Schuld an der Shoah. Schließlich minimiert die Anschuldigung durch die Maximierung der Darstellung der moralischen Schuld Israels, die Schwere der Massaker, der Massenvergewaltigungen, Brandschatzungen und Geiselnahmen der Hamas am 7. Oktober. Israel des Völkermords zu beschuldigen, ist im Grunde die wirksamste Strategie, um die Pogrome der Hamas vom 7. Oktober und den Vernichtungsimpuls zu ignorieren, der Hamas-Terroristen zu Massakern, Vergewaltigungen und Folterungen an der israelischen Zivilbevölkerung motivierten ...

Diese anklagende Umkehrung ist nicht neu. Die Palästinenser haben oft den Spiegel der jüdischen Geschichte genutzt, um ihre eigene Erzählung zu formulieren. Somit entspricht die Wahl des Wortes Nakba („Katastrophe“ auf Arabisch) zur Beschreibung des historischen Datums der Unabhängigkeit des Staates Israel und der Vertreibung eines Teils der damals anwesenden jüdischen und arabischen Bevölkerung der Bedeutung des Wortes „Shoah“ auf Hebräisch.

Aber vor allem enthemmt diese anklagende Umkehrung jegliche Gewalt gegen Juden weltweit. Israel zu beschuldigen, einen Völkermord zu begehen und der neue Nazi-Staat zu sein, rechtfertigt die radikalsten Reden und geht sogar so weit, die Forderung nach der Zerschlagung Israels zu rechtfertigen. Welche Gewalt wäre angesichts eines angeblich völkermörderischen Staates nicht legitim?

Seien wir nicht naiv: Diejenigen, die diese Terminologie verwenden, tun dies nur, um Israel anzugreifen. Ihre selektive Empörung verschont die Missbräuche der schlimmsten autoritären Verbrecherregime der Welt und ignoriert die Opfer der Uiguren in China, der Rohingyas in Burma oder der Christen in Nigeria, usw. und natürlich haben sie nie westliche Militäroperationen gegen die ISIS gegen Daesh in Mossul und Raqqa kritisiert, oder gegen die Al-Qaida in Afghanistan, obwohl es leider auch dort zahlreiche zivile Opfer gab.

Wir Juden haben die Verantwortung

Diese anklagende Umkehr der Tatsachen ist daher in der Tat eine gewollte und kalkulierte Stigmatisierung allein des jüdischen Staates. Und leider wissen wir, dass die resultierende Beschuldigung automatisch auf alle Juden ausgeweitet wird, wo auch immer sie leben.

Wir, die Juden in Österreich und Europa, haben die Verantwortung, diese gefährlichen Entwicklungen anzuprangern, solange noch Zeit ist.

Wer diesen Skandal nicht bekämpft, sollte nicht am 27. Jänner scheinheilig der Befreiung von Auschwitz gedenken, denn nein, Gaza ist nicht Auschwitz.

Ariel Muzicant, Präsident Europäischer Jüdischer Kongress. Yonathan Arfi, Präsident des  Crif (Dachverband der Juden Frankreichs)

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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