Wort der Woche

Emissionen des Krieges

Der Ukraine-Krieg verursachte bisher so viel Treibhausgase, wie ganz Österreich in einem Jahr emittiert. Dazu kommen noch beträchtliche indirekte Emissionen. 

Das Kriegsgeschehen in der Ukraine bewirkt nicht nur immenses menschliches Leid – mehr als 100.000 Todesopfer, rund zehn Millionen Geflüchtete – und massive Beschädigungen (170.000 zerstörte Gebäude), sondern auch große Umweltschäden, wie etwa Wasser- und Luftverschmutzung, Verwüstung von Biotopen oder Treibhausgasemissionen: Laut einer internationalen Forschendengruppe um Rostyslav Bun (WSB University, Dąbrowa Górnicza) brachten die Kampfhandlungen in den ersten 18 Kriegsmonaten Emissionen in der Höhe von 77,2 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente mit sich (Science of the Total Environment, 5. 1.). Das entspricht ziemlich genau dem jährlichen Treibhausgasausstoß Österreichs.

Ein überraschend geringer Anteil davon, nämlich 283.000 Tonnen CO2, stammt von Bomben, Raketen, Granaten und anderen explosiven Waffensystemen. Mit 28,7 Mio. Tonnen CO2 ungleich größer sind die Emissionen von Militärfahrzeugen (LKW, Panzer, Truppentransporter etc.) – bei Kriegsgerät spielen Klimaschutz und alternative Antriebe bisher überhaupt keine Rolle. Der nächstgrößere Faktor sind Brände: Brennende Gebäude und Infrastruktur verursachten bisher 18,1 Mio. Tonnen CO2, abgefackelte Wälder und Felder sogar 23,8 Mio. Tonnen CO2. Die Zerstörung von Erdöllagern setzte 5,43 Mio. Tonnen Treibhausgase frei, und das ungeordnete Verrotten von Abfällen (etwa Holz von zerstörten Gebäuden) rund eine Mio. Tonnen.

Dem gegenübergestellt werden muss der kriegsbedingte Einbruch der ukrainischen Industrieproduktion: Dadurch ist der „normale“ Treibhausgasausstoß des Landes in den ersten 18 Kriegsmonaten um 157,7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente (rund ein Drittel des Vorkriegsniveaus) gesunken.

Bevor nun jemand auf die Idee kommen könnte, Kriege als günstig für die Treibhausbilanz anzusehen: Der Krieg bringt zusätzlich noch viele indirekte Emissionen mit sich – vom Transport Flüchtender über die Waffenproduktion in aller Welt bis hin zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und Gebäude. Forschende der „Initiative on GHG accounting of war“ um den holländischen Klimaforscher Lennard de Klerk schätzen diese auf mindestens 50 Mio. Tonnen CO2 (en.ecoaction.org.ua).

Nicht beziffern lässt sich derzeit, welche längerfristigen Folgen die Turbulenzen auf den Energiemärkten haben – z. B. ob für den Ersatz von russischem Erdgas eher erneuerbare Energiequellen oder Kohle herangezogen wird.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist nun Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com diepresse.com/wortderwoche

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