Forschen im Anthropozän

Ethnologin: „Wir müssen das Denken überdenken“

Sand prägt den Alltag in der Kaschubei. Posthumanistische Betrachtungen helfen Oliwia Murawska, die polnische Region besser zu erforschen.
Sand prägt den Alltag in der Kaschubei. Posthumanistische Betrachtungen helfen Oliwia Murawska, die polnische Region besser zu erforschen.Bastian/Caro/picturedesk.com
  • Drucken

Eine neue Denkrichtung, der Posthumanismus, plädiert für andere Perspektiven auf den Menschen. Für Forschungen zum Anthropozän sei dies höchst fruchtbar, sagt die Innsbrucker Ethnologin Oliwia Murawska.

Die Presse: Wie sinnvoll ist es, traditionelle Konzeptionen vom Menschsein zu überwinden? Wird dadurch nicht die besondere Stellung des Menschen in der Welt mit seiner umweltzerstörerischen Lebensweise heruntergespielt?

Oliwia Murawska: Grundsätzlich ist sehr wichtig, gerade im Lichte der umweltzerstörerischen Lebensweisen des Menschen, über das Menschsein nachzudenken. Doch pauschal die zentrale Stellung des Menschen zu negieren ist problematisch, und hier setzt auch ein Kritikpunkt am Posthumanismus an. Bei aller Begeisterung für den neu aufkommenden Diskurs gilt es, kritisch zu hinterfragen, inwieweit sich der Mensch dadurch aus der Verantwortung zieht. Denn darum geht es natürlich keineswegs.

Macht der Klimawandel als große globale Krise neue Denkansätze notwendig?

Der Klimawandel sicher auch, aber noch größer gedacht: alles Anthropozäne. Das Anthropozän (die Zeitepoche, in der der Mensch zum bestimmenden Faktor für das globale Ökosystem geworden ist; Anm.) ist es, was uns in die Verlegenheit bringt, neu zu denken. Weil sich darin alles – Mensch, Natur, Biologisches, Kultur – vermischt und nicht mehr getrennt betrachtet werden kann. Auf diese Umwälzungen von geologischem und epochalem Ausmaß reagiert der kritische Posthumanismus, um die gegenwärtige und zukünftige Lage dieses Planeten zu reflektieren. Wir müssen das Denken noch einmal überdenken. Unter dem Begriff „Posthumanismus“ werden aber ganz viele Diskurse gebündelt, das ist alles nicht neu und findet sich zum Teil schon etwa bei Spinoza.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.