Unterwegs

Wenn ein Land, in das man einst viel Herz investiert hat, im Drogenkrieg versinkt

Als es noch friedlich war: Quito, am Rand des Hauptplatzes neben dem Regierungspalast während eines Staatsbesuchs, Oktober 2001.
Als es noch friedlich war: Quito, am Rand des Hauptplatzes neben dem Regierungspalast während eines Staatsbesuchs, Oktober 2001. Wolfgang Greber
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Der Andenstaat Ecuador wird von einer brutalen Gewaltwelle überzogen, die man sich als Besucher dort vor vielen Jahren nicht hätte vorstellen können. Damals dachte man an den Drogenkrieg im nahen Kolumbien, Ecuador schien dagegen ein Paradies.

Man hat damals bei dieser großen Hochzeitsfeier in Quito, Hauptstadt von Ecuador, die Gäste aus Kolumbien teils bemitleidet, teils für ihren Mut bestaunt. Immerhin waren sie mit ihren Autos Hunderte Kilometer vor allem über die Panamericana-Fernstraße aus dem nördlichen Nachbarland angereist, trotz all der üblen Storys über den Drogenkrieg, Straßensperren, Banden und Überfälle dort.

Ich tanzte mit Liliana, sie war wunderhübsch und reichte mir gerade einmal bis zum Hals. Ob sie nicht Angst habe, fragte ich, sie und ihre Leute müssten ja auch wieder zurückfahren in ihr Drogenkriegsland und durch Gefahrenzonen dort. „Nein“, sagte sie. „Wir kennen die Straßen und die Gegend, und wo man lieber einen Umweg fährt. Fürchten hilft ja auch nicht. Man muss tanzen und trinken!“

Das war im Herbst 2001, wenige Tage nach 9/11. Ecuador war so viel friedlicher als Kolumbien, ein Land braver Leute meist in einfachen Verhältnissen, wo du nach der Landung in Quito wegen der dünnen Luft in 3000 Metern Höhe zunächst tagelang fertig warst und beim Treppensteigen schnauftest wie ein Pferd.

Ja, es gab Bezirke in Quito, die man als Tourist besser mied, vor allem nächtens; die Küstenstadt Guayaquil galt als heißes Pflaster und man sollte bei manchen Ortsdurchfahrten im Tiefland vorsichtig sein, weil dort angeblich ab und zu Typen lauerten und versuchten, bei einem zu langsam fahrenden Autos die Türen aufzureißen. Aber generell war in den sechs Wochen dort alles okay, ich erkundete das brutal schöne Land zeitweise alleine im Pkw und genoss die hohen Berge und Vulkane, die nebligen Andenhöhen, die schwülen Ebenen mit den Plantagen, das Meer, die Städte mit ihren spanisch-kolonialen Zentren, die Inka-Ruinen, das Essen, die lieben Leute. Ein Studienfreund hatte mich zu seiner Hochzeit eingeladen, die Party fand auf einer schnieken Hacienda statt, es flossen Ströme von Whisky, da hätten sogar die Iren gestaunt.

Jetzt siehst du dieser Tage zu, wie dort der Drogenkrieg eskaliert, wie Banditen TV-Studios stürmen und die Journalisten live auf Sendung drangsalieren, sogar Dynamitstangen in ihre Kleidung stecken. Es kursieren Videos, wie Typen Polizisten brutal umbringen, in Wohngebieten gehen Bomben hoch, auch Zivilisten werden attackiert, haben Angst auf dem Weg zur Arbeit und zu den Geschäften, die Armee griff zuletzt ein. Ausnahmezustand.

Dabei war’s so schön damals. Liliana kehrte mit ihren Leuten auch sicher nach Kolumbien zurück, erfuhr ich dann später. Ich hab sie nie wiedergesehen.

Reaktionen an: wolfgang.greber@diepresse.com

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