Medien

Studie: Wer würde von einem Aus für ORF.at profitieren?

Die blaue Seite.
Die blaue Seite.(c) Screenshot
  • Drucken

Ein Gutachten im Auftrag des ORF besagt, dass ein Aus von ORF.at nur wenige hinter die Paywalls der Zeitungen locken würde. Verleger sind verwundert über den Einsatz von Gebührengeld für diese hypothetische Untersuchung.

Das Angebot von ORF.at regt Diskussionen an – und Verleger üben weiter Kritik, auch nach der gesetzlicher Beschränkung der Textmeldungsanzahl auf 350 pro Woche. An der „Zeitungsähnlichkeit“ habe sich nichts geändert, monieren sie. Nicht zuletzt wegen vom Gesetz nicht berücksichtigten Verlinkungen auf Unterseiten. Eine Studie gibt nun neuen Anlass für eine Debatte: Der ORF wollte wissen, ob Verleger von einem ORF.at-Aus profitieren würden und beauftragte ein wissenschaftliches Gutachten. Dieses besagt, dass ORF.at die Entwicklung von Paywall-Angeboten nicht hemmen würde.

Hypothetische Angebote

Die Studienautoren Christian Zabel, Daniel O'Brien (beide Technische Hochschule Köln) und Frank Lobigs (Technische Universität Dortmund) stützten sich für ihr Gutachten „Effekte des Marktaustritts von öffentlich-rechtlichen Online-Nachrichtenangeboten auf den Absatz von digitalem Paid Content“ auf 1100 Probanden, deren Präferenzen durch eine „Choice-Based Conjoint-Analyse“ ermittelt wurde. Ihnen wurden verschiedene hypothetische Online-Nachrichtenangebote zur Auswahl vorgeschlagen.

Als mit Abstand wichtigstes Entscheidungsmerkmal kristallisierte sich der Preis des Angebots heraus. Er machte knapp 60 Prozent der gesamten Auswahlentscheidung aus, wie auch der „Standard“ berichtete. Ein Großteil der Nachfrage entfiel nach einem hypothetischen Marktaustritt der „blauen Seite“ auf kostenfreie Digitalangebote. Das heißt: Leser von orf.at würden, wenn die Seite nicht mehr zur Verfügung haben, im Netz auf andere Gratis-Anbieter umsteigen. Diese können in der Analyse 79 Prozent der freiwerdenden Nachfrage auf sich vereinen.

Dabei fällt der Zuwachs bei Online-Nachrichtenangeboten, die keinem Printtitel zuzuordnen sind – wie Social Media oder auch gmx.at – laut der Studie größer aus als bei den kostenlosen digitalen Nachrichtenangeboten der österreichischen Presseverlage. Printanbieter mit zugriffsbeschränkten Angeboten würden rund vier Prozentpunkte der zusätzlichen Nachfrage gewinnen.

„Im Effekt könnten also nur sieben Prozent der umverteilten, ehemals an die “blaue Seite‘ gebundenen Nachfrage auf Bezahlangebote verlagert werden“, heißt es in dem Gutachten. Selbst in den optimistischsten Szenarien wäre für den gesamten Markt mit nur ca. 18.110 zusätzlichen E-Paper- sowie 9.310 zusätzlichen Digital-Abos zu rechnen. “Dass die ‚blaue Seite‘ der ursächliche Grund dafür sei, dass die österreichischen Presseverlage keine erfolgreichen digitalen Nachrichten-Abonnementmodelle etablieren könnten, wird von den Ergebnissen widerlegt“, so die Autoren. Ein Einstellen von ORF.at hieße, dass man der Bevölkerung jene Nachrichtenseite entzieht, der sie laut Digital News Report 2023 die höchste Vertrauenswürdigkeit zuspricht und jene Stimmen stärkt, die im Vertrauenswürdigkeitsranking weit unten stehen, zieht die Untersuchung Bilanz.

Dafür Gebührengeld?

Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) zeigte sich gegenüber dem „Standard“ über den Gebührengeldereinsatz des ORF für diese hypothetische Untersuchung verwundert. Zudem verwies der VÖZ auf eine Untersuchung, die der deutsche Partnerverband BDZV im vergangenen Jahr durchgeführt habe. Diese ergebe, dass 40 Prozent der User ihr Onlinenutzungsverhalten ändern würden, wenn es kein öffentlich-rechtliches Textangebot gäbe, und vermehrt auf digitale und gedruckte Angebote von Presseverlegern zugreifen würden.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.