Filmkritik

„Mean Girls“-Neuverfilmung: Diese Mädels sind nicht fies genug (und singen!)

Die „Plastics“ sind in der Schule ebenso begehrt wie gefürchtet.
Die „Plastics“ sind in der Schule ebenso begehrt wie gefürchtet. Constantin Film
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Zwanzig Jahre nach dem kultigen Original läuft ein neuer „Mean Girls“-Film an – und macht es weder Nostalgikerinnen noch dem zeitgenössischen Publikum wirklich recht.

Los geht es im Hochformat: Undenkbar für eine Filmproduktion aus dem Jahr 2004, wie „Mean Girls“ (deutscher Titel: „Girls Club – Vorsicht bissig!“) es ist. Aber wir schreiben das Jahr 2024: Da kann sich ein Remake dieses Klassikers schon einmal nach dem Bildschirmverhältnis von Smartphones richten. Zu sehen ist eine musikalische Darbietung von Janis (Auli’i Cravalho) und Damian (Jaquel Spivey), dem queeren Künstler-Duo, das unsere Protagonistin Cady (Angourie Rice in der Rolle, die im Original von Lindsay Lohan ausgefüllt wurde) später, während ihrer ersten Tage in der High-School-Hölle, unter seine Fittiche nehmen wird.

Durchs Garagentor führt der dynamische Opener direkt in die Weiten von Kenia – wo Cady zu diesem Zeitpunkt noch lebt, als Tochter einer Zoologin. Flugs wird der zweite Song angestimmt. Ja, „Mean Girls – Der Girls Club“ ist ein Musical (was weder Trailer noch Plakat vermuten lassen – auf TikTok großes Thema), inspiriert von der Broadway-Musiktheaterstück „Mean Girls“ (2018), das wiederum auf dem gleichnamigen Originalfilm basiert.

Kosmetische Änderungen

Der Inhalt der Neuverfilmung ist fast deckungsgleich mit dem seiner Vorlagen: Wieder zieht die bislang behütete Cady mit ihrer offenbar alleinerziehenden Mutter (2004 hatte das Mädchen noch beide Elternteile um sich) nach Illinois und findet sich im brutalen Biotop High-School wieder – davor wurde sie zu Hause unterrichtet. Janis und Damian helfen dem Frischling sich zurecht zu finden, Überblick soll eine knappe Einführung in die Cliquen der Schule geben.

In weiser Voraussicht wurden einige für das heutige Empfinden adaptiert: Statt „unfriendly black hotties“ und „nerdy asians“ werden „woke seniors“ vorgestellt. Die „Plastics“ verharrten in ihrer Rolle als ebenso fiese wie umwerfende Mädchenclique. Ausgerechnet die nimmt sich der braven Novizin an. Janis, die eine unschöne Vergangenheit mit Ober-„Plastic“ Regina George (ehemals Rachel McAdams, heute Reneé Rapp – ein Rising Star im Pop) hat, wittert ihre Chance auf Rache, indem Cady den Maulwurf gibt. Der Fall der Bienenkönigin gelingt. Von hier an waltet Cady, die ihrem Feindbild immer ähnlicher wird. Die Handlung gipfelt im großen Crash mit Freundin, Mutter und Schwarm.

Damian und Janis, das queere, kunstaffine Duo der Klasse.
Damian und Janis, das queere, kunstaffine Duo der Klasse. Constantin Film

Neu an der Version ist nur die Erscheinung der Janis-Figur: War sie 2004 noch die bissige, kunstaffine Rebellin mit dickem Eyeliner (einst Lizzy Caplan), die aus Mobbing-Zwecken als lesbisch abgestempelt wurde (Drehbuchautorin Tina Fey hatte sie damals in letzter Sequenz noch mit dem heterosexuellen Mathe-Brain gepaart), so ist die heute wirklich queer. Und Woman of Color. Wobei sie sich weder durch das eine, noch das andere definieren lassen muss. Auch ist ihre (hypothetische) Sexualität nicht mehr der Grund für die Bosheiten, wenn diese auch die Wahrnehmung seitens der berüchtigten „Plastics“ beeinflussen mag. Höhepunkt der neuen Lesart soll im Filmmusical freilich ein tragender Song sein, „I‘d rather be me“, maßgebender ist allerdings die Nummer im Abspann von Rapperin Megan Thee Stallion und Reneé Rapp („Can a gay girl get an ,Amen‘?“).

Viele inhaltliche Änderungen sind aber kosmetisch: Geheimnisse werden nicht mehr bloß weitererzählt, sondern aufgezeichnet. Lästereien ereignen sich für alle ersichtlich im Netz, nicht als Tête-à-Tête am Festnetz. Aus der Handlung verbannt wurde jener Lehrer, der im Original ein Verhältnis mit zwei Schülerinnen pflegte. Angepasst wurde auch die Erscheinung von Regina, die jetzt zwar weniger dünn ist, aber immer noch abnehmen will. Politische Korrektheit wurde nur häppchenweise bedacht. Als Comedian dürfte das Drehbuchautorin Tina Fey zugute kommen: Mit anarchischer Ader und scharfer Zunge mischte sie früh das männlich dominierte Komödiantentum auf. Ihr erstes und einziges Drehbuch „Mean Girls“ verwandelte sie gleich in ein Imperium (Film, Musical, dann Filmmusical). Alleine das Original spielte in den Kinos 130 Millionen Euro ein. Das Remake kommt in seiner Inkonsequenz trotzdem recht halbgar daher.

Mittwochs weiterhin pink

Das Filmmusical bemüht sich nämlich um zweierlei Gruppen. Zum einen um Nostalgikerinnen, denen Lohan & Co in den Nullerjahren zum Vorbild dienten. Für sie sind die direkten Zitate aus dem Original: Damian ist immer noch „too gay to function“, mittwochs trägt man immer noch pink und Gretchen (früher Lacy Chabert, heute Bebe Wood) versucht immer noch, das Wort „fetch“ im Schuljargon zu verankern. Besonders freuen dürfte Fans der Gastauftritt Lohans, der der Produktion Berichten zufolge eine halbe Million Euro gekostet haben soll (sie lieferte einst die weitaus authentischere Version des gemeinen Mädchens, das Cady zwischenzeitlich ist). Zum anderen wirbt der Film um die Kids von heute, die freilich einen ganz anderen Schmäh pflegen. Letztlich werden beide Adressatenkreise nicht ausreichend bedient.

Am stärksten ist der Film in den neuen Dialogen. Etwa als Regina sich Cady gegenüber zu öffnen scheint: „Die Leute sagen, ich sei eine Bitch. Aber weißt du, wie sie mich nennen würden, wenn ich ein Bub wäre?“ Ein lehrreicher Monolog wird erwartet, nach Vorbild von Greta Gerwigs „Barbie“. Stattdessen: „Reginald. So hätte mich meine Mutter genannt, wenn ich ein Bub geworden wäre. Ehrlich, da werde ich lieber Bitch genannt.“ Platt, aber erfrischend witzig.

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