Wort der Woche

Marines Geoengineering

Experten raten bei allen Bestrebungen, mehr CO2 in den Ozeanen zu speichern, zur Vorsicht: Weder ist die Wirksamkeit belegt, noch kennt man die ökologischen Folgen.

Die Weltmeere sind ein wichtiger Teil des Klimasystems: Sie speichern rund 90 Prozent der Wärme, die durch den verstärkten Treibhauseffekt erzeugt wird, und nehmen rund ein Viertel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen auf. Dadurch bremsen sie die Erderwärmung maßgeblich. Eine unliebsame Begleiterscheinung ist, dass CO2 den Säuregrad des Wassers erhöht – das behindert die Einlagerung von Kalk in die Schalen von Muscheln, Korallen usw.  

Da die Absenkung der Treibhausgas-Emissionen nur sehr zögerlich vor sich geht, rücken nun auch die Weltmeere in den Fokus des Klimaschutzes: Gesucht werden Möglichkeiten, die CO2-Aufnahme der Ozeane zu steigern. Es gibt viele Ideen für dieses „marine Geoengineering“ – und laut der eben veröffentlichten „World Ocean Review 2024“ ist fast allen gemeinsam, dass man nicht wirklich weiß, ob sie im großen Stil funktionieren und welche ökologischen Folgen sie haben (www.worldoceanreview.com).

So wird etwa versucht, Algen zu düngen und dadurch zu stärkerem Wachstum anzuregen; die Biomasse sinkt dann auf den Meeresgrund und verbleibt dauerhaft im Sediment. Geschehen könnte das z. B. durch Eisen- oder Phosphordüngung. Oder durch „künstlichen Auftrieb“: Dabei soll nährstoffreiches Wasser aus tieferen Meeresschichten an die Oberfläche gepumpt werden.

Diese Ansätze ändern allerdings nichts an der großflächigen Versauerung der Meere. Hier könnte ein Verfahren namens „Alkalinitätserhöhung“ helfen: Durch die Zugabe von fein gemahlenem Kalk- oder Silikatgestein wird das chemische Gleichgewicht im Meer verschoben, sodass gelöstes CO2 dauerhaft als Hydrogencarbonat gebunden und gleichzeitig der Säuregrad des Wassers gesenkt wird.

Dass Letzteres funktioniert, wissen indigene Volker an der Westküste Nordamerikas seit langem: Sie bringen in ihre Muschelgärten traditionell zerbrochene Muschelschalen ein, wovon der versauerungsempfindliche Muschelnachwuchs profitiert. Im großen Stil wären dafür gewaltige Gesteinsmengen nötig: Laut „World Ocean Review“ müssten für jede Tonne gebundenes CO2 eine halbe bis fünf Tonnen Mineralprodukte eingesetzt werden ...

Es gibt nur eine Maßnahme in den Meeren, die rundum positiv zu bewerten ist: die Pflege bzw. Wiederherstellung von Salzmarschen, Seegraswiesen, Mangroven- oder Tangwäldern. Diese binden nicht nur CO2, sondern sind auch wertvolle Biotope und schützen die Küsten vor Erosion.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist nun Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com
www.diepresse.com/wortderwoche

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