Junge Forschung

Künftige Fabriken flexibler planen

Die Planungskosten beeinflussen die Kosten eines Gebäudes um bis zu 75 Prozent. Diesen Spielraum nutzt Julia Reisinger für mehr Nachhaltigkeit.
Die Planungskosten beeinflussen die Kosten eines Gebäudes um bis zu 75 Prozent. Diesen Spielraum nutzt Julia Reisinger für mehr Nachhaltigkeit.Katharina F.-Roßboth
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Die Bauingenieurin Julia Reisinger entwickelte eine digitale Planungsplattform, mit der sich die Prozesse einer Produktion und die Gebäudestruktur als Ganzes bewerten lassen. 

Wohin kommen die Stützen, die das Dach tragen? Stehen sie im Fertigungsprozess auch nicht im Weg? „Entscheidend beim Planen ist das Positionieren der Tragwerke“, betont Julia Reisinger. Ein von der Bauingenieurin entwickeltes Planungstool hilft bei der Wahl des Materialeinsatzes, der Materialart, der Bauweise und der Geometrie, um Ressourcen einzusparen.

Der Hintergrund: Aktuell passiert die Planung von Industriebauten extrem fragmentiert. Zuerst komme der Produktionsplaner, der die Fertigungsprozesse plane, dann der Architekt, der das Gebäude rundherum entwerfe, und anschließend der Tragwerksplaner, der die Konstruktion für die Fertigungshalle auslege, so Reisinger. Bis zum Zeitpunkt ihrer Dissertation gab es keine Methode, die die unterschiedlichsten Planungsstufen integral und effizient vereinte. Das wollte die gebürtige Tirolerin ändern und die Arbeitsabläufe von Produktions- oder Logistikbetrieben mit den Gebäudeplanungsprozessen koppeln.

Ihr gelang es, auf Basis von komplexen Algorithmen sämtliche bau- und produktionstechnischen Daten als Basis für eine digitale Planungsplattform zusammenzustellen. So entstand eine weitumfassende Planungssoftware, die in das Forschungsprojekt „BIMFlexi“ der TU Wien mündete. Für ihre Doktorarbeit erhielt sie im vergangenen Herbst den Resselpreis der Uni. Derzeit ist die 33-jährige Wissenschaftlerin am dortigen Institut für Hoch- und Industriebau tätig.

Hunderte Möglichkeiten vergleichen

Was ist jetzt das Besondere an ihrer Planungsplattform? „Das Ganze muss man sich als komplexes Netzwerk vorstellen: ein kluges System von Regeln, das bau- und produktionsspezifische Daten verbindet, um Beziehungen besser zu verstehen und somit Algorithmen das effiziente Verarbeiten von komplexen Daten ermöglicht. Verändert man beim Planen einen Aspekt, verändern sich dadurch andere, was einen Einfluss auf die Nachhaltigkeit und Kosten des Projekts hat“, erläutert Reisinger.

Die Planungskosten betragen circa drei Prozent des gesamten Projekts und beeinflussen bis zu 75 Prozent der Lebenszykluskosten eines Gebäudes. Intelligente Geometrien von Dachträgern helfen beispielsweise dabei, Baustoffressourcen einzusparen. Insofern ist es von großer Relevanz, möglichst viele Möglichkeiten schon beim Planen beachten zu können.

Die wechselnden Anfordernisse an Industrieunternehmen sind ob der flexiblen Produktionszyklen für die Betriebe sehr fordernd. Oftmals müssen deshalb sogar ganz neue Gebäude geplant und gebaut werden. Hat sich eine Firma für eine neue Produktionshalle entschieden, müssen beim Planen viele Parameter berücksichtigt werden: Es darf nicht zu klein oder zu groß gebaut werden. Zudem ist Nachhaltigkeit, wie sparende Flächenversiegelung oder schonender Umgang mit Ressourcen, für moderne Industrieunternehmen das Gebot der Stunde.

»Verändert man beim Planen einen Aspekt, hat das Einfluss auf die Nachhaltigkeit und Kosten des Projekts.«

Konventionelles Planen nimmt in der Entwurfsphase drei bis vier Wochen in Anspruch. Dabei können maximal zwei Varianten betrachtet werden. „Mit dem neuen Planungstool können Hunderte Layouts binnen weniger Stunden erzeugt werden“, erzählt die Reisinger. Die Ergebnisse seien für Unternehmen eine Entscheidungshilfe, wie ein Fabrikgebäude künftig aussehen könnte und mit welchen Baukosten und ökologischen Folgen etwa zu rechnen ist.

Was tun mit brach liegenden Industriegebäuden?

Das Thema Nachhaltigkeit liegt ihr generell sehr am Herzen. So wird sie sich künftig den brach liegenden Industriegebäuden – 6000 in Österreich – widmen. Aber bevor sie dieses Thema mit ihrem Team angeht, ist sie damit beschäftigt, das Start-up Factorymaker der TU Wien mit den Erkenntnissen ihrer Dissertationstechnologie aufzubauen.

Der Spagat zwischen Informatik und Ingenieurswesen fällt Reisinger leicht. Auch bei ihren Hobbys habe sie sich schon seit frühester Jugend an nie auf ein Feld festgelegt, meint sie schmunzelnd und verweist auf Möbelbau, Klavier- und Tennisspiel sowie Reiten. Ihre vielen Talente prägen ihren Lebensweg jedenfalls bis heute.

Zur Person

Julia Reisinger (33) wurde in Rum (Tirol) geboren. Sie studierte Bauingenieurswesen an der Uni Innsbruck. Nach einem Auslandsaufenthalt in Australien ging sie an die Technische Universität (TU) Wien (Architektur und Bauingenieurwesen). 2022 promovierte sie hier am Institut für Hoch- und Industriebau, wo sie seither tätig ist.

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