Punk-Oldies

Green-Day-Cover: Behübschtes Foto aus dem Bürgerkrieg?

Ausschnitt aus dem Cover von „Saviors“, dem neuen Album von Green Day.
Ausschnitt aus dem Cover von „Saviors“, dem neuen Album von Green Day. Warner
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46 Jahre alt ist die Szene auf dem Cover des neuen Albums von Green Day. Doch das Bild unterscheidet sich vom Original – auf ähnliche Weise, wie sich die Musik der Band von ursprünglichem Punk unterscheidet.

Ein brennendes Auto sieht man auf dem Cover des neuen Green-Day-Albums, davor einen lächelnden Jüngling mit einem Stein in der Hand. Die Szenerie wirkt, unter anderem durch die eckige Form des Autos, historisch, und das ist sie auch: Das Foto stammt vom britischen Magnum-Fotografen Chris Steele-Perkins, aus seiner Serie „The Troubles“ über den Nordirlandkonflikt, die er 1978 in Belfast schoss.

Warner

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Punkband ein Fotomotiv aus Unruhen verwendet. The Clash nahmen 1977 eine Aufnahme von gewalttätigen Protesten von migrantischen Jugendlichen („race riots“ nennte man das damals) beim Notting Hill Carnival 1976 auf die Rückseite ihres ersten Albums. Das wurde damals als Illustration ihres Songs „White Riot“ verstanden, in dem der Sänger seinem Wunsch nach einem „riot of my own“ Ausdruck verlieh. Aneignung würde man das heute wohl nennen. Aber: Das Bild war damals fast neu; das Bild, das Green Day verwenden, ist heute 46 Jahre alt. Und es ist, wie dem „Belfast Telegraph“ zuerst aufgefallen ist, offensichtlich bearbeitet: Die Augen des Buben sind weiter geöffnet als auf dem – leicht im Web zu findenden – Original von Steele-Perkins, das Lächeln wirkt stärker, der Bub sieht mehr wie ein (amerikanisches) Kindermodel aus. Der Gesichtsausdruck hat an Ambivalenz verloren.

Noch immer kein „American Idiot“?

Das passt gut zum Kunsthandwerk von Green Day. Die seit 1989 bestehende kalifornische Band hat ihre schlichte, effektive Punk-Formel von Bands wie The Clash übernommen, exerziert sie allerdings mit breitschultrigem Gestus und mit einem üppigen Sound, wie ihn die Punk-Pioniere verabscheuten. In ihrer Liebe zu plakativen Slogans sind sie den Clash freilich nicht unähnlich: Wo diese „I‘m So Bored With The USA“ skandierten, rief Green-Day-Sänger Billie Joe Armstrong, er wolle kein „American Idiot“ sein.

2004 war das. 2024 berichtet Armstrong, inzwischen fast 52 Jahre alt, im ebenso eingängigen Song „The American Dream Is Killing Me“, auf das Gedicht auf der Statue of Liberty anspielend, von „huddled masses“, die in Glasscherben schlafen müssen. In „Living In The 20s“ ist von Schießereien im Supermarkt die Rede, in „Strange Days Are Here To Stay“ ist die Oma auf Fentanyl. „Ever since Bowie died, it hasn‘t been the same“, klagt Armstrong: „All the madmen are going mental.“ In „Look Ma, No Brains!“ schlüpft er, indem er die Anfangszeile von Sam Cookes „Wonderful World“ kapert, selbst in die Rolle des amerikanischen Deppen: „Don‘t know much about history, cause I never learned how to read.“

Ja, ja, die Selbstironie. Als einzige Rocker, die noch für Aufregung sorgen, erklärt Armstrong seine Band im Titelsong. Dem noch ein letzter Track folgt: das schwerfällige „Fancy Sauce“. „Everybody‘s famous, stupid and contagious“, singt Armstrong, „as we all die young today.“ Nirvana-Sänger Kurt Cobain, der sich in seinem tragischem Welthit „Smells Like Teen Spirit“ „stupid“ and „contagious“ fühlte, ist tatsächlich jung, mit 27, gestorben. Ihn kann man sich problemlos aneignen. Power-Pop-Punk darf das, okay?

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