Prozess

Drei Schuldsprüche im Krimi um die Commerzialbank Mattersburg

Die ehemalige Vorständin der Commerzialbank, Franziska Klikovits, erschien am Dienstag vor Gericht mit schwarzer Maske.
Die ehemalige Vorständin der Commerzialbank, Franziska Klikovits, erschien am Dienstag vor Gericht mit schwarzer Maske. APA / APA / Hans Klaus Techt
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Prozess. Der Prozess endete mit drei Schuldsprüchen wegen Erpressung und Veruntreuung: Ex-Bankenvorstand Martin Pucher wurde in Abwesenheit schuldig gesprochen.

Wien. Fast vier Jahre ist es her, dass sich in Mattersburg ein wahrer Krimi abspielte: erfundene Kredite, Spareinlagen und Kunden. Jahrzehntelang hat der Vorstand seiner Fantasie freien Lauf gelassen und damit viel Geld eingesteckt. Dann tauchte im Sommer 2020 ein Whistleblower auf und die Finanzmarktaufsicht schritt ein.

Nun wird der Vorstand zur Rechenschaft gezogen: am Landesgericht Eisenstadt fand am Dienstag ein Prozess in einem Teilaspekt der Causa statt. Das Urteil: Schuldspruch für Ex-Bankenvorstand Martin Pucher und seine Vorstandskollegin Franziska Klikovits. Die Verhandlung drehte sich um Erpressung und Veruntreuung, der Schaden beläuft sich auf 70.000 Euro. Angeklagt waren neben dem früheren Vorstand Pucher und seiner Vorstandskollegin Klikovits noch ein Ex-Mitarbeiter. Pucher selbst nahm an der Verhandlung nicht teil, er hatte sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigt. Eine Verhandlung in Abwesenheit war in dem Fall möglich, da die Anklage „nur“ auf ein Vergehen mit einem Schaden von 70.000 Euro lautet und kein Verbrechen angeklagt war.

Der ehemalige Mitarbeiter, der eine führende Funktion in der Commerzialbank hatte, soll bemerkt haben, dass mit den Krediten etwas nicht stimmen könne. Als er 2017 die Bank nach einem Streit mit Klikovits verlassen wollte, soll er von Pucher 70.000 Euro gefordert haben – „so etwas wie Schweigegeld“, meinte der Staatsanwalt. Klikovits habe das Geld aus den Mitteln der Bank vorbereitet und der Bankchef habe es in einem Kuvert an den Ex-Mitarbeiter übergeben, heißt es in der Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Das Bargeld habe der Mitarbeiter zusätzlich zu einem Golden Handshake von rund 200.000 Euro brutto erhalten. Auf seinem Konto seien in zeitlicher Nähe zur Übergabe auch hohe Bargeldeinzahlungen verzeichnet worden.

Die größte Pleite im Burgenland

Der Ex-Mitarbeiter – er war unter anderem Filialleiter und Prokurist – bestritt, Pucher bei seinem Ausscheiden aus der Bank erpresst zu haben. Mit ihm habe er Mitte Dezember 2017 lediglich über die Modalitäten für die Beendigung des Dienstverhältnisses wie etwa die Abfertigung gesprochen, betonte er. Der Angeklagte bestritt auch, dass er von verdächtigen Vorgängen in der Bank etwas mitbekommen oder einen Verdacht gegenüber Kollegen dazu geäußert habe.

Dem gegenüber stehen die Aussagen der beiden ehemaligen Vorstandsmitglieder: Richterin Karin Lückl verlas Aussagen aus Puchers Vernehmung. Demnach erklärte Pucher, dass der nun Angeklagte neben seiner Abfertigung 70.000 bis 90.000 Euro in bar, die Klikovits aus dem nicht-realen Geldkreislauf entnommen habe, gefordert und bekommen habe. Klikovits gestand, dass sie die 70.000 Euro für den Mitarbeiter vorbereitet habe. Sie sei dabei, die Malversationen „schonungslos offenzulegen“, sagte ihr Anwalt. Es gebe keinen Grund, weshalb sie den Mitarbeiter zu Unrecht belasten sollte. Die Summe von 70.000 Euro sei im Vergleich zum Gesamtschaden in der Commerzialbank gering. 

Was von der Commerzialbank bleibt, ist die größte Pleite, die es jemals im Burgenland gegeben hat. Rund 400 Gläubiger fordern im Konkursverfahren mehr als 826 Millionen Euro. Die Überschuldung liegt bei 700 Millionen Euro. Über 157 Millionen dürften bar aus der Bank getragen worden sein – teilweise zum SV Mattersburg, dessen Präsident Pucher war. Mittlerweile sind sowohl die Commerzialbank, als auch die beiden angeklagten Vorstandsmitglieder, der Fußballklub SV Mattersburg und der ehemalige Abschlussprüfer der Bank in Insolvenzverfahren. Aber wie konnte es so weit kommen? Mit erfundenen Spareinlagen, „Luftbuchungen“ und fingierten Krediten wurde das Bilanzbild besser dargestellt als es war. Klikovits gab an, dass 50 Prozent der Kredite, 95 bis 98 Prozent der Interbankveranlagungen und zehn Prozent der Kundeneinlagen, die ausgebucht wurden, „Fake“ gewesen seien.

Gefälschte Sponsorenverträge

Involviert war dabei auch der SV Mattersburg: Sponsorenverträge wurden verfälscht und ein Teil des Geldes, zumindest fast 1,5 Millionen Euro, an die Bank-Vorstände selbst überwiesen. Dazu wurden zu Saisonabschluss oder -anfang der Bundesliga die Summen in echten Sponsorenverträgt erhöht oder gleich ganz gefälscht. Die Zahlungen wurden dann offiziell an den Verein überwiesen, inoffiziell landeten sie bei den beiden Vorständen. Zum Teil erfolgten auch Zahlungen im Namen von einstigen Sponsoren, die ihre Verträge längst aufgelöst hatten.

Auch zahlreiche Klagen beschäftigten die Justiz – unter anderem gegen den Wirtschaftsprüfer TPA, die Republik Österreich und das Land Burgenland, das als Revisionsverband der Mehrheitseigentümerin der Bank tätig war. Sowohl die Republik als auch das Land haften aber laut Urteilen nicht für durch die Bankpleite entstandene Schäden. Die ehemaligen Mitarbeiter, Aufsichtsräte und Vorstände lieferten im U-Ausschuss ein bezeichnendes Bild von den Vorgängen in der Bank. Sie wollten von Unregelmäßigkeiten nichts mitbekommen haben und gaben sich ahnungslos. Dabei hätte die Angelegenheit schon viel früher auffliegen können: 2015 gab es erste Hinweise an die Finanzmarktaufsicht und WKStA von einem Whistleblower. Die Aufsichtsbehörde FMA hat 2015 rund um Eigenkapitalmaßnahmen des Instituts Anzeige wegen Untreueverdachts bei der Staatsanwaltschaft Eisenstadt erstattet, die stellte das Verfahren aber ein. Die WKStA wiederum sah 2015 keinen Anfangsverdacht, da die OeNB bei einer Vor-Ort-Prüfung keine Verfehlung feststellte. (ag./red)

Auf einen Blick

Das Urteil: Der ehemalige Chef der Commerzialbank Mattersburg, Martin Pucher, ist am Dienstag am Landesgericht Eisenstadt in einem ersten Prozess nach der Pleite der Bank im Sommer 2020 nicht rechtskräftig zu einer bedingten Haftstrafe von elf Monaten verurteilt worden. Ex-Vorständin Franziska Klikovits erhielt acht Monate bedingt, ein Ex-Mitarbeiter, der die beiden um 70.000 Euro erpresst haben soll, 16 Monate bedingt. Pucher war aus gesundheitlichen Gründen nicht vor Gericht anwesend. Verhandelt wurde ein Teilaspekt der Pleite. Der Ex-Mitarbeiter, der eine führende Funktion in der Commerzialbank hatte, soll bemerkt haben, dass mit den Krediten etwas nicht stimmen könne.

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