Und übrigens

Warum wird gerade Churchill so gerne falsch zitiert?

Winston Churchill hat viel Schönes gesagt. Aber bei weitem nicht so viel, wie man ihm nachsagt.
Winston Churchill hat viel Schönes gesagt. Aber bei weitem nicht so viel, wie man ihm nachsagt.Getty
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Ron DeSantis garnierte seine Rückzugsrede mit einem Zitat, das er fälschlich dem großen britischen Staatsmann zuschrieb. Aber so platte Sprüche hätte Sir Winston nie geklopft.

Wir sind die Herren der ungesagten Worte, aber die Sklaven jener, die uns rausgerutscht sind“: So lautet ein Churchill-Zitat, das ausnahmsweise echt ist, mit dem Siegel der Society, die über sein verbales Erbe wacht. Ron DeSantis hätte es sich zu Herzen nehmen sollen. Aber ach, der glücklose Anwärter auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur hat auch noch seinen Abgang verpatzt, mit einer wohlfeilen Weisheit am Ende seiner Rede und als Posting auf X: „Erfolg ist nicht endgültig. Scheitern ist nicht tödlich. Es ist der Mut zum Weitermachen, der zählt.“ So etwas sorgt zwar für erhebende Gefühle im Motivationsseminar. Aber Winston Churchill, dem Floridas Gouverneur das Zitat unterjubelte, hat es nach allen bekannten Quellen nie gesagt.

Nun ist es ein schwacher Trost für DeSantis, dass der britische Staatsmann so etwas wie der Weltmeister im Falsch-Zitiertwerden ist. „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“ kam ebenso wenig aus seinem Munde oder seiner Feder wie „Ich habe einen einfachen Geschmack: Ich bin nur mit dem Besten zufrieden“. Dass man auch als passionierter Zigarrenraucher und Whiskytrinker ein hohes Alter erreichen kann, wenn man nur „no sports“ betreibe, ist kurioserweise ein Tipp, den man Churchill ausschließlich im deutschen Sprachraum in den Mund legt. Wir fragen uns: Warum gerade er?

Der zweifache Premier und heldenhafte Bezwinger Hitlers war voller Schaffenskraft. Am liebsten lag er in seiner dampfenden Badewanne und diktierte seinen Sekretärinnen Briefe, Reden und Bücher, die sich auf 15 Millionen Wörter summieren. Und weil Churchill so fein formulierte, ließen sich daraus 4000 ausreichend geistreiche Sprüche filtern. Dazu kamen fremde Bonmots, die Churchill sauber zitierend in seine Reden einbaute. „It is said that …“ setzte er auch vor den anonymen Aphorismus von der Demokratie als schlechtester Staatsform, „abgesehen von allen anderen“.

Von solcher Fairness unbeeindruckt, legten ihm Fälscher noch hinterrücks Kuckuckszitate ins Nest. „Wie schon Churchill sagte …“ verleiht eben jeder Stammbuch-Plattitüde den fahlen Glanz von falschem Gold.

Aber seien wir nicht undankbar. Manche kolportierten Dialoge sind zu schön, um wahr zu sein. Wie ein fiktiver Schlagabtausch mit dem Theaterautor George Bernard Shaw, der gesagt haben soll: „Ich reserviere dir zwei Karten für meine Premiere. Nimm einen Freund mit – wenn du einen hast.“ Worauf Churchill vorgeblich konterte: „Zur ersten Vorstellung kann ich nicht kommen. Bei der zweiten bin ich dabei – wenn es eine geben wird.“

Von solch boshaftem Witz à la ­Wilde sind die biederen Fake-Sprüche eines DeSantis natürlich weit entfernt. Ihm wollen wir, wie auch seinem obsiegenden Rivalen Trump, einen anderen falschen Churchill mit auf den Weg geben: „Das Leben ist voller Gelegenheiten, den Mund zu halten.“

E-Mails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

»„Wie schon Churchill sagte“ verleiht jeder Stammbuchweisheit den fahlen Glanz von falschem Gold.  «

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