Gastkommentar

Wie glaubwürdig ist die ÖVP-Absage an die FPÖ?

Drei FPÖ-Koalitionen sind bisher gescheitert. Dennoch rät Hans Winkler der ÖVP, es ein weiteres Mal mit den Blauen zu wagen. Eine Antwort.

„Die Presse“ hat in einer ausführlichen Analyse („Wie viel AfD steckt in der FPÖ?“, 23. 1. 2024) die Programmatik der beiden rechts­extremen Parteien in Deutschland und Österreich verglichen. Neben wenigen Unterschieden und vielen Gemeinsamkeiten wird klar: Sowohl AfD als auch FPÖ wollen die Europäische Gemeinschaft nun von innen verändern und schwächen, indem sie eine Rückabwicklung zu einer bloßen Wirtschaftsgemeinschaft anstreben. Das eint übrigens die „Neue Rechte“ in ganz Europa. Für Donald Trump hat man Sympathien. Und selbstverständlich werden auch die EU-Sanktionen gegen Wladimir Putins Russland wegen des brutalen und völkerrechtswidrigen Überfalls auf die Ukraine unter Berufung auf die österreichische Neutralität (!) von der FPÖ abgelehnt. Der Rechts­extreme Martin Seller von der Identitären Bewegung gilt in der Kickl-FPÖ als Vertreter einer „NGO wie Greenpeace“. Es ist Herbert Kickl zu danken, dass er offenherzig ankündigt, was dem heimischen Wahlvolk blüht, wenn die FPÖ in Regierungsverantwortung kommt. Es versteht sich von selbst, dass dann kein Asylantrag mehr angenommen werden wird, ungeachtet rechtlicher Verpflichtungen.

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Nimmt man Aussagen der Spitzen der anderen österreichischen Parteien ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos für bare Münze, dann heißt das: Für diese FPÖ gibt es keinen Koalitionspartner. Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer sieht man die Abneigung gegen den freiheitlichen Führer sogar an, er spricht allerdings immer von der „Kickl-FPÖ“. Das heißt wohl, eine FPÖ ohne Herbert Kickl in Regierungsverantwortung käme als Partner womöglich infrage, ­Norbert Hofer wäre eine Option. Allerdings stehen alle Landesvorsitzenden der FPÖ voll hinter dem radikalen Kurs Kickls, der gegen das „System“, die „Altparteien“, die „Mainstream-Medien“, internationale Organisationen sowie „Globalisierer“ wettert und netterweise auch bereits „Fahndungslisten“ für die Zeit nach der Machtübernahme erstellt hat.

Wer die ÖVP wählt, könnte eine böse Überraschung erleben

Ungeachtet der Tatsache, dass bislang schon drei FPÖ-Koalitionen (eine mit der SPÖ, zwei mit der ÖVP) gescheitert sind, gibt Hans Winkler, der unverdrossene Freund einer rechts-rechten Regierungskoalition, in der „Presse“ deren Kritikern einen originellen Gedanken mit auf den Weg: „Wenn man die FPÖ daran hindern will, alles das zu tun, was man ihr als Absicht unterstellt – und manches daran gibt tatsächlich Grund zur Sorge –, dann muss man sie in die Verantwortung nehmen und ihre angeblichen oder wirklichen Pläne auf den Prüfstand der Demokratie stellen.“ Nun muss man der FPÖ gar nichts unterstellen, dankenswerterweise sagt sie klar und deutlich, wohin sie Österreich führen will. Für die vielen christdemokratischen und konservativen ÖVP-Sympathisanten, die für einen Kurs der Mitte stehen, bedeuten die Einlassungen Winklers einen wichtigen Hinweis: Wer bei der Nationalratswahl ÖVP wählt, um die Freiheitlichen in einer Regierung zu verhindern, könnte eine böse Überraschung erleben. Winkler gibt mit seinem „Presse“-Artikel SPÖ, Grünen und Neos Wahlkampfmunition und untergräbt die Distanzierung der ÖVP vom Radikalismus der FPÖ, der – wie ich von vielen meiner Freunde weiß – nicht wenige bürgerliche Menschen abstößt. Die Demonstrationen der schweigenden Mehrheit gegen Rechtsextremismus sind wichtig, noch wichtiger ist allerdings das Wählen gegen Rechtsextremismus.

Johannes Kunz (*1947 in Wien) arbeitete beim Hörfunk des ORF, ehe er von 1973 bis 1980 als Pressesprecher von Bruno Kreisky ins Bundeskanzleramt wechselte. 1982 Rückkehr in den ORF, wo er von 1986 bis 1994 als Informationsintendant amtierte. Autor mehrerer Bücher zu politischen Themen und Jazzmusik.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

„Die Presse“, Printausgabe 25.1.2024

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