Interview

Politologe Thomas Kahn: „Trump ist durchaus unpopulär“

Der frühere US-Präsident Donald Trump kandidiert für eine zweite Amtszeit.
Der frühere US-Präsident Donald Trump kandidiert für eine zweite Amtszeit.Reuters/Eduardo Munoz
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Trotz seiner Popularität innerhalb seiner Partei möge ein großer Teil der Bevölkerung Trump nicht, sagt Thomas Kahn von der American University in Washington. Das Alter von Joe Biden werde ein immer größerer Faktor im Wahlkampf. Die Demokraten setzen indessen auf Themen wie Abtreibung.

Die Presse: Der Wahlkampf in den USA ist angelaufen, und es sieht nach Joe Biden gegen Donald Trump aus. Welches Szenario erwartet das Land mit Trump als Präsidenten?

Thomas Kahn: In den vergangenen 250 Jahren haben alle Präsidenten nach einem Wahlverlust freiwillig das Feld verlassen. Als John Adams von Thomas Jefferson besiegt wurde – es war der erste Wechsel von einer Partei zur Opposition –, bestieg Adams 1801 den Bus und fuhr nach Massachusetts. Vergleichen Sie das mit dem 6. Januar 2021. Trump hat versucht, ein Wahlergebnis umzudrehen. Aber er stieß auf Hindernisse. Ich fürchte, dass während seiner zweiten Amtszeit viele dieser Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.

Warum glauben Sie das?

Damals hatte Trump noch viele Menschen um sich, die an die Verfassung, die Institutionen und Gesetze glaubten, die auch verantwortungsbewusster handelten. Nun sagen seine Leute, dass sie ihre Lektion gelernt haben. In einer zweiten Amtszeit wird sein Umfeld aus Superloyalisten bestehen, die sich ihm mehr verpflichtet fühlen als gegenüber den Gesetzen. Aber ich will nicht unbedingt schwarzmalen: Ich denke, dass Joe Biden gewinnen wird.

Weil?

Trump ist durchaus unpopulär. Bidens Zustimmungsraten sind gering, aber viele werden für ihn stimmen, weil ihre Antipathie gegenüber Trump größer ist. Es gibt die alte Redewendung: Ist diese Wahl ein Referendum oder eine Wahl? Wenn es ein Referendum zu Biden wäre, würde er verlieren. Die Wahl gegen Trump würde er gewinnen. Viele stimmen auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ab: Die ökonomische Entwicklung ist positiv, wir haben eine anständige Wachstumsrate, die Inflation sinkt, und so auch die Arbeitslosigkeit.

Die Biden-Regierung hat große Schwierigkeiten, die Errungenschaften der vergangenen Jahre der Wählerschaft zu erklären. Am Ende werden ihm die Erfolge nicht angerechnet, und so redet kaum jemand darüber.

Ja, sie sind keine guten „Verkäufer“. Es gibt jedoch neue Umfragen, denen zufolge die bessere wirtschaftliche Situation langsam auch psychologisch in der Bevölkerung ankommt: Den Menschen ging es schon besser, aber sie haben sich nicht so gefühlt. Das scheint sich zu ändern. Man darf auch eine Sache nicht vergessen: Trump hat zwar 2016 gewonnen, aber er hat die Halbzeitwahlen 2018 verloren, die Präsidentschaftswahl 2020, und seine Kandidaten haben bei den Halbzeitwahlen 2022 ebenfalls verloren. Obwohl er weiterhin eine starke Basis innerhalb der Republikaner hat, ein großer Teil der Bevölkerung mag ihn nicht.

Sie haben als langjähriger Vertreter des Budget-Committee im Kongress auch mit Joe Biden zusammengearbeitet. Was trauen Sie ihm noch zu?

Biden sagt immer: „Vergleicht mich nie mit dem Allmächtigen, sondern immer mit der Alternative.“ Er hat bisher Bemerkenswertes geleistet. Das verschärfte Waffengesetz ist nur ein Beispiel. Oder das große Infrastruktur-Gesetzespaket in der Höhe von einer Billion US-Dollar. 20 Jahre lang haben wir über Infrastruktur geredet, ohne dass irgendetwas passiert ist. Aber er wird trotzdem als wenig dynamisch wahrgenommen.

Es lässt sich nicht leugnen: Joe Biden ist 81 Jahre alt. Welche Rolle wird das im Wahlkampf spielen?

Es wird ein immer größerer Faktor und beschäftigt die Wählerschaft. Biden kann vieles beeinflussen, aber nicht sein Alter. Aber: Trump ist auch 77 Jahre alt und damit kein Jungspund. Bill Clinton war vor über 20 Jahren Präsident, und er ist so alt wie Trump. Ob ein anderer Kandidat aussichtsreichere Chancen gegen Trump hätte? Egal, wer antritt, er oder sie wird immer Angriffsfläche bieten. Die Rede war zum Beispiel von Gavin Newsom (Gouverneur Kaliforniens, Anm.). Er ist ein sehr guter Gouverneur, aber Kalifornien hat große Probleme: Die Steuern sind hoch, die Obdachlosigkeit ist ein Problem, die Menschen ziehen weg, … Auch bei Gouverneurin Gretchen Whitmer (Michigan, Anm.) würde man Angriffsfläche finden, wenn man lang genug sucht.

Wo orten Sie noch ein Risiko für Bidens Wiederwahl?

Bei der Aufstellung eines dritten Kandidaten. Die zentristische No-Labels-Bewegung will einen alternativen Kandidaten ins Rennen schicken, da ist zum Beispiel von Joe Manchin die Rede (konservativer demokratischer Senator aus West Virginia, Anm.). Und auch ein weiterer Kandidat von der grün-linken Seite ist eine Alternative für enttäuschte Biden-Wähler. Die grüne Kandidatin Jill Stein hat bei der Wahl 2016 Hillary Clinton entscheidende Stimmen gekostet. Letztlich wird die Entscheidung bei dieser Wahl in sechs kritischen Bundesstaaten fallen: Arizona, Wisconsin, Georgia, Michigan, North Carolina und Pennsylvania. Ich glaube, dass bei dieser Wahl die künftige Demokratie auf dem Spiel steht. Trump glaubt nicht an die Demokratie. Er glaubt an die Macht.

Dieser Wahlkampf gestaltet sich auch zu einem veritablen Kulturkampf, das beste Beispiel ist die Abtreibungsdebatte.

Bei jeder Wahl seit dem Dobbs-Urteil 2022 (das Recht auf Abtreibung fällt, die Regelung wird auf die Bundesstaaten übertragen, Anm.) war das Thema Abtreibung einer der entscheidenden Faktoren. Sogar in republikanischen Staaten wie Kansas und Ohio konnte die Pro-Choice-Bewegung gewinnen. Die Demokraten wollen das Thema Abtreibung zu einem Topthema machen.

Welche Rolle nimmt die Vizepräsidentin Kamala Harris ein? 

Sie hat sehr niedrige Zustimmungsraten. Normalerweise ist die Vizepräsidentschaft kein entscheidender Faktor für die Präsidentenwahl, aber in diesem Fall ist das anders gelagert. Biden ist 81 Jahre alt. Die Republikaner werden ihre Kampagne daher auch auf Harris legen und sagen: „Aufgrund von Bidens Alter besteht die Möglichkeit, dass Harris zur Präsidentin wird. Wollt ihr sie im Oval Office?“ Daher ist die Biden-Kampagne dabei, ihr Image aufzupolieren.

Und eine Alternative für Harris ist nicht möglich?

Nein. Das wäre ein Affront gegenüber der schwarzen Wählerschaft und den Frauen. Biden braucht ihre Stimmen. Eine Ablösung Harris’ würde die Partei zerreißen.

Zur Person

Thomas Kahn unterrichtet Politik an der American University in Washington D.C. Der Jurist ist langjähriger Kongressmitarbeiter und Demokrat.

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