Pizzicato

Der Bua aus Sexten

In Kastelruth pfiffen es die Spatzen von den Dächern, und selbst im Haus des Landeshauptmanns rumorte es: eine Koalition mit den Walschen. Da kam Jannik Sinner gerade recht.

In Kastelruth pfiffen es die Spatzen von den Dächern, und es hallte hinüber zum Schlern und zum Rosengarten. Groß war das Gemurre zwischen Etsch und Eisack, es schwoll an in den Tälern vom Vintschgau bis zum Pustertal – und zuweilen dröhnte es über den Brenner und die Drei Zinnen hinaus.

Silvius Magnago, Südtirols Landesvater, hätte sich gegrämt. Und Andreas Hofer hätte aus dem Passeiertal gewiss zur Rebellion aufgerufen: Eine Koalition mit den Walschen! Viel hätte nicht gefehlt, und die Bauern wären nach Bozen marschiert: „Tirol isch lei oans!“ Der Advent ging ins Land, Weihnachten verstrich und nach drei Monaten stand die Fünf-Parteien-Allianz in Alto Adige, die die einst allmächtige Südtiroler Volkspartei unter anderem mit der Lega und den Duce-Adoranten der Fratelli d’Italia schloss. Selbst im Haus des Landeshauptmanns, bei den Kompatschers, rumorte es. „Muss das sein?“, tönte es bei Frau und Kindern.

Da kam ein 22-jähriger Bua aus Sexten, wenige Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt, und einte das Land von Sterzing bis Syracus. Jannik Sinner hat im Finale der Australian Open in einem Fünfsatz-Drama in Melbourne den Russen Daniil Medwedew mitten in der Nacht niedergerungen. Nach dem Zwölfeläuten am Sonntag hatte Südtirol einen neuen Landesheiligen.

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.