Serienkritik

„The Brothers Sun“: Plötzlich Mafia-Mitglied

 Sam Song Li spielt den sanften Bruce Sun, Oscar-Preisträgerin Michelle Yeoh Mama Sun und Justin Chien den kampferprobten Charles Sun
Sam Song Li spielt den sanften Bruce Sun, Oscar-Preisträgerin Michelle Yeoh Mama Sun und Justin Chien den kampferprobten Charles Sun Netflix
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Die Netflix-Serie „The Brothers Sun“ um eine außergewöhnliche Familie, die zwischen Taiwan und den USA zersplittert ist, wartet mit Komik und Kampfkunst sowie einer alles überragenden Michelle Yeoh auf.

Die Familie Sun ist keine gewöhnliche. Das wird schon in der ersten Szene der Netflix-Serie „The Brothers Sun“ klar. Sohn Charles bäckt in seiner Wohnung in Taipeh mit viel Liebe einen Kuchen. Als ihn drei maskierte Männer überfallen, macht er mit diesen kurzen Prozess. Am Ende liegen drei Leichen quer verteilt in seinem Luxusappartement. Für Charles scheint das keine große Sache zu sein. Erst als er den verkohlten Kuchen aus dem Ofen holt, zeigt er Emotion: Er ist wirklich sauer.

Komik und Kampfkunst sind zwei elementare Bestandteile der Serie von den beiden Showrunnern Brad Falchuk („Glee“, „American Horror Story“) und Byron Wu. Vor allem ist „The Brothers Sun“ aber ein Familienporträt der anderen Art. Denn während Charles von seinem Vater Big Sun zu einem eiskalten Killer großgezogen wurde, lebt dessen Bruder Bruce nichtsahnend mit Mutter Eileen in Los Angeles. Als ein Scharfschütze kurz nach der eingangs erwähnten Szene – der Überfall war nur eine Falle, um das Familienoberhaupt ins Schussfeld zu locken – Big Sun lebensgefährlich verletzt, muss Charles in die USA reisen, um die verbliebene Familie zu beschützen.

Charles Sun muss viel kämpfen
Charles Sun muss viel kämpfenNetflix

Im Dilemma: Familie oder Freiheit?

Die Serie zelebriert genüsslich das Aufeinanderprallen von Gegensätzen. Die Brüder, die sich zuletzt als kleine Kinder gesehen haben, könnten nicht unterschiedlicher sein. Hier der gutaussehende und skrupellose Charles (Justin Chien), dort der tollpatschige und dauernervöse Bruce (Sam Song Li). Ebenso prallen immer wieder gekonnt asiatische und amerikanische Lebenswelten aufeinander. Was ist wichtiger: Familie oder Freiheit?

Die große Stärke von „The Brothers Sun“ liegt darin, dass aus Komik nie billiger Klamauk wird (wenn auch nicht jeder Scherz perfekt sitzt). Natürlich gibt es viel verspielte Kampfkunst, etwa wenn als Dinosaurier kostümierte Killer Bruce nach dem Leben trachten. Die Action ist aber auch ein raffiniertes Täuschungsmanöver, um Seher vor die Bildschirme zu locken – und mit ihnen dann in die Tiefe zu tauchen. So hebt sich „The Brothers Sun“ von der Massenware der vielen Neuerscheinungen ab.  

Michelle Yeoh als Matriarchin

Sind die ersten zwei Folgen noch von viel Martial Arts geprägt, rücken spätestens aber der Mitte der acht Episoden umfassenden ersten Staffel die Charaktere in den Vordergrund. Es ist vor allem die von Oscar-Preisträgerin Michelle Yeoh („Everything Everywhere All at Once“) großartig verkörperte Mama Sun, die sich von der fürsorgenden, sich brav unterordnenden Hausfrau zur alles entschlossenen, machtbewussten Matriarchin wandelt. Sie, die sich jahrelang im Exil aufgeopfert hat, will die Rolle einnehmen, die ihr zusteht: an der Spitze der Verbrecherfamilie.

 Huch, da wird es eng für Mama Sun
Huch, da wird es eng für Mama SunNetflix

Es stellen sich viele Fragen, die nach Folge acht nicht alle klar beantwortet werden können: Ist Bruce für ein Leben in seiner kriminellen Familie geschaffen? Oder ist er zu „soft“ dafür? Will Charles nicht viel lieber Koch statt Killer sein? Wer ist das wirkliche Familienoberhaupt im Hause Sun? So viel sei verraten, die Serie verweigert sich einem kitschigen Ende, für Staffel zwei ist alles angerichtet.

„The Brothers Sun“ , auf Netflix.

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