Liegewagen teilen sich jetzt maximal vier Menschen ein Abteil und einen flexiblen Hocke-Tisch. Das Bild wurde von den ÖBB veröffentlicht.
Nachtzug

Der Nightjet der ÖBB im Design-Check

Auf dem Weg vom Nacht- zum Gute-Nacht-Zug.  Der Nightjet setzt auf Sitzsofas, Einzelkojen und und horizontale Kurzzeithabitate.  

Wir Menschen haben es leichter als die ÖBB. Wir müssen zwar auch komplexe Systeme managen. Aber in unserem Körper passiert das meiste dann doch ganz von selbst. Zurzeit sind ja die ÖBB hauptsächlich damit beschäftigt, überhaupt zu funktionieren. Wir dagegen müssen uns so etwas wie Atmen und Verdauen nicht extra auf die To-do-Liste schreiben. Aber einfach nur in Betrieb sein, abfahren und irgendwann ankommen, das reicht den ÖBB dann doch nicht. Auch so etwas wie eine „Customer Experience“ will sie abliefern. Dabei helfen etwa Mitarbeiter, die lächelnd unsere QR-Codes einscannen. Oder, noch einfacher, noch besser kontrollierbar: das Design. Also jene Entscheidungen, die sich in Materialien, Formen, Farben, Dimensionen und letztlich womöglich in guten Gefühlen niederschlagen. In Zügen flüstern da bei der Gestaltung deutlich mehr Stimmen mit als in einer durchschnittlichen Hotellobby. Die Effizienz – ein traditionell lautes Organ. Die Sicherheit, der Brandschutz. Das Gewicht! Boutique-Hotel auf Schienen wird da kaum noch eines draus. Auch wenn man Züge, die extra dafür gemacht sind, durch die Nacht schickt. Und damit auch in eine zwangsläufige Bredouille: Schließlich sind wir, so anthropologisch betrachet, nicht dafür vorgesehen, nächtens von Wien nach Hamburg zu rollen. Nach dazu mit ganz vielen anderen Exemplaren unserer Spezies gemeinsam. Dass sich trotzdem am Ende ein paar positive Gefühle ausgehen, dafür hat der neue Nightjet ein paar kluge Triggerpunkte gesetzt. Per Design.

Die neuen „Mini-Cabins“ bieten Alleinreisenden einen privaten Unterschlupf für die Nacht. Das Bild wurde von den ÖBB veröffentlicht.
Die neuen „Mini-Cabins“ bieten Alleinreisenden einen privaten Unterschlupf für die Nacht. Das Bild wurde von den ÖBB veröffentlicht.ÖBB / Harald Eisenberger

Noch dazu in einem unübersichtlichen Gestaltungscode, den ziemliche viele Normen und Auflagen programmieren. Und sich rüsten muss: dafür, ziemlich intensiv benutzt und beansprucht zu werden. „Manchmal muss man dann schon sehr geschickt und kreativ um all diese Ansprüche herum designen“, sagt auch Sarah Fessl. Sie ist bei den ÖBB für das zuständig, was die Reisenden „erleben“, vor allem auch visuell und haptisch, im „Interior Design“.

Abgekapselt reisen

Also auch für möglichst viele Momente à la: Ah, klappt ja gut. Wow, wie praktisch. Oder sogar: Ach, wie hübsch. Und: Oh, wie angenehm. Die Evolution hatte kein Zeit, die Menschen zu Nachtreisenden zu machen. Jetzt springen die ÖBB ein und schaffen ihnen Kurzzeithabitate. Oder besser: das britische Designbüro PriestmanGoode, das den Entwurf geliefert hat.

Zunächst macht aber die visuelle Gestaltung klar, mit wem man es zu tun hat: Wir sind’s, die ÖBB, das vermitteln ein paar explizitere und ein paar dezentere Hinweise. Im Farbcode allein. Ausgeschüttet aus der Corporate Identity. Dunkelrot und Anthrazit. Dazu das „Mountain Pattern“, abstrahierte Bergsilhouetten an den Wänden. Logoteilchen hat man sicherheitshalber zum Muster der Stoffbezüge verwebt. Oder in die Lampenschirme der Bett­leuchten gegossen. Dazu auf den Liege- und sonstigen gepolsteten Flächen. Lodenstoff als haptische Heimathafen-Referenz.Dazwischen Standardversatzstücke aus dem Bauteilkatalog für Zuginterieur. Aber oft genug nur als konstruktive Basis, um darauf manch schlaue Gestaltungsidee zu etablieren. Tische im Abteil etwa, die absenkbar sind und mit Polster drauf das Liege- und Herumknotzareal deutlich erweitern.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.