Akademietheater

Wie viel von Dostojewskis Großinquisitor steckt in heutigen Realpolitikern?

Freiheit sei Menschenquälerei, autoritäre Führung Schutz der Schwachen, ist der Großinquisitor (hier gespielt von Barbara Petritsch im Akademietheater) überzeugt. Er stellt verstörende menschliche Grundfragen.
Freiheit sei Menschenquälerei, autoritäre Führung Schutz der Schwachen, ist der Großinquisitor (hier gespielt von Barbara Petritsch im Akademietheater) überzeugt. Er stellt verstörende menschliche Grundfragen. Susanne Hassler-Smith
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Als Dostojewskis Großinquisitor und als von Einsamkeit zerfressene Frau fesselt Barbara Petritsch in einem (Fast-)Soloabend, der oft durch Mark und Bein geht.

Dostojewskis Großinquisitor geistert durch gegenwärtige politische Diskurse. Zum Beispiel, wenn es darum geht zu erklären, warum Menschen – wie etwa in Russland –, politisch Ordnung vor Freiheit stellen. Aber auch dort, wo nach Putins Einfall in die Ukraine Pazifismus und ein Denken wie das von Jürgen Habermas schnell entsorgt wurden: Realpolitik, ja Verteidigung der Humanität komme nicht ohne inhumane Mittel aus. Der Großinquisitor sieht den Menschen als Wesen, das die Freiheit nicht erträgt. Den wiedergekehrten Jesus sperrt er als Störer einer Ordnung ein, die auch mit inhumanen Mittel zu verteidigen, aber im Grunde menschenfreundlich ist. Immer wieder im 20. Jahrhundert wurde er als, wenngleich diabolisch überzeichnete, Figur des hellsichtigen, um die Natur des Menschen wissenden Realpolitikers gedeutet. Daran erinnert auch 2022 der deutsche Kulturwissenschaftler Helmut Lethen in seinem Buch „Der Sommer des Großinquisitors“, in dem er das Nachleben von Dostojewskis berühmter Figur nachzeichnet.

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Lethen kommt auch im Programmheft zur Produktion „Der Großinquisitor“ im Akademietheater zu Wort: Man müsse das Destruktive auch „in den Tiefen des Humanismus entdecken. Sonst steht man vor der nächsten Überraschung.“ In die Abgründe menschlicher Freiheit führt denn auch dieser Theaterabend, der eine hoch konzentrierte Solo-Glanzleistung der Schauspielerin Barbara Petritsch ist.

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