Wort der Woche

Gold aus dem Müll

Aus Elektroschrott wird nur ein Bruchteil des enthaltenen Goldes zurückgewonnen – ein illustratives Beispiel, dass wir noch meilenweit von einer Kreislaufwirtschaft entfernt sind. 

Seit zumindest 6000 Jahren fasziniert Gold die Menschheit, seither wurden mehr als 200.000 Tonnen Gold geschürft – das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von 22 Metern. Mehr als die Hälfte der jährlichen Goldproduktion wird zu Schmuck verarbeitet, ein gutes Drittel liegt als Wertsicherung bei Zentralbanken und Investoren, und rund neun Prozent (oder 300 Tonnen) werden als essenzielle Bestandteile elektronischer Geräte benötigt (v. a. Leiterplatten und -bahnen).

Für die Produktion eines Gramms Gold müssen, je nach Lagerstättentyp, 200 Kilo bis 1,7 Tonnen Gestein abgebaut und verarbeitet werden – unter Einsatz von sehr viel Energie und bedenklichen Chemikalien. Eine andere Goldquelle nutzen wir indes so gut wie nicht: Derzeit fallen weltweit jährlich mehr als 50 Mio. Tonnen Elektroschrott an, Tendenz stark steigend; aber nur 17 Prozent davon werden wiederverwertet. Dieser High-tech-Müll enthält unzählige wertvolle Stoffe, und zwar in sehr hohen Konzentrationen: So ist etwa der Goldgehalt von Smartphones mit rund 150 Milligramm pro Kilo hundert Mal höher als in natürlichen Lagerstätten.

Es gibt zahlreiche Verfahren, um das Edelmetall aus dem Abfall zu holen – etwa chemische Auslaugung, Membranverfahren, thermische Prozesse, Fotokatalyse, biologische Verfahren usw. –, die auch laufend weiterentwickelt werden. Wie Forscher um Jinsong Xia (Queen’s University, Ontario) nun in einem Überblicksartikel herausgearbeitet haben, sind diese Verfahren zum einen wesentlich umweltfreundlicher (im Bergbau verursacht ein Gramm Gold zwischen 20 und 40 Kilogramm CO2) und zum anderen um den Faktor 20 billiger (Science of the Total Environment 916, 170154).

Da stellt sich natürlich die Frage, warum nicht schon längst der komplette Elektroschrott aufgearbeitet wird. Ein Teil der Antwort ist, dass Elektrogeräte ein höchst kompliziertes Gemisch unzähliger Materialien sind: Ein Smartphone z. B. besteht aus mehr als 1000 Materialien, darunter 53 Metallen – diese sauber zu trennen ist technologisch ziemlich herausfordernd. Noch gravierender ist indes, dass es an zentralen Voraussetzungen für sinnvolles Recycling mangelt – von funktionierenden Sammelsystemen bis hin zu organisierten Verwertungsketten.

Hier zeigt sich exemplarisch, wie schwer wir uns tun, von unserem derzeitigen „linearen“ Umgang mit Materialien (Herstellung – Nutzung – Entsorgung) Abschied zu nehmen und stattdessen ein nachhaltigeres Kreislaufsystem aufzubauen.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist nun Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com
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