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46 Millionen Songs und kein einziger Hörer – Wofür Spotify nicht zahlen will

Musikerin Karol Conká hat gut 400.000 Hörerinnen auf Spotify, und zählt damit zum besten Fünftel (Symbolbild).
Musikerin Karol Conká hat gut 400.000 Hörerinnen auf Spotify, und zählt damit zum besten Fünftel (Symbolbild). Imago / Yuri Murakami
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Die Kleinen haben es im Musikbusiness schwer. Das sagt einem der Hausvorstand, neue Zahlen belegen das Ungleichgewicht auf Streamingdiensten wie Spotify nun einmal mehr.

Freilich überrascht es nicht, dass US-Superstar Taylor Swift im letzten Jahr für 1,2 Prozent aller Streams auf der Musikplattform Spotify gesorgt hat. Die Musikerin ist ein Weltphänomen, eine der erfolgreichsten Stimmen ihrer Zeit. Und das Phänomen, dass einige wenige im Pop die ganze Aufmerksamkeit bekommen, wahrlich kein neues. Nun gibt es aber Daten zu ebenjener Problematik.

46 Millionen von insgesamt 184 Millionen Songs auf der Plattform hatten 2023 nicht einen Hörer. 34 Millionen weitere eine Hörerschaft kleiner als zehn. In Summe hatten 150 Millionen Nummern weniger als 1000 Streams – das macht rund 83 Prozent des Gesamtangebots von Spotify aus. Das berichtet die „Financial Times“ (FT) unter Berufung auf Daten von Luminate. Jener Firma, die auch die Billboard-Charts in den Vereinigten Staaten verwaltet. Hierzulande hatte der „Kurier“ zuerst berichtet.

Der Online-Dienst Forgotify, in offensichtlicher Anlehnung an Spotify, widmet sich dem ungehörten Material der Plattform. Nach Anmeldung werden dem Hörer Titel vorgeführt, die wenig bis keine Hörer haben, also quasi vergessen wurden. Im Programm finden sich viele jazzige Balladen und jede Menge Klassik.

Den neuen Daten zufolge soll in den USA mehr Zeit mit Taylor Swift verbracht worden sein, als mit dem gesamten Angebot der Klassik. Ähnlich abgeschlagen ist das Genre des Jazz. Einer von 78 Streams in den USA fiel auf die 34 Jahre junge Pop-Ikone. Folglich konzentrieren sich große Plattenlabels auf ebenjene ganz großen Acts und die Monetarisierung ihres Ruhms.

Kein Platz für die Kleinen

Das könnte bald Böses bedeuten, denn der Streamingriese will sein Sortiment womöglich gar entschlacken. Dran glauben müssten in jedem Fall die kleinen Künstler und nischige Nummern. Die, die es ohnehin schwerer haben. Im Herbst letzten Jahres erntete die Plattform schon Kritik, weil Künstlerinnen und Künstler mit weniger als 1000 Streams im Jahr künftig kein Geld mehr erhalten sollen: Spotify will keine Tantiemen mehr für die wenig gehörten Nummern zahlen. Kritische Stimmen bezeichneten die Änderungen schon damals als diskriminierend und ausbeuterisch. Um dem zu entgegnen, hat das EU-Parlament erst kürzlich Maßnahmen beschlossen, die die Vergütung fairer gestalten sollen.

Wirklich ersparen – das Unternehmen befindet sich der „FT“ zufolge inmitten eines Sparkurses – wird sich Spotify dadurch ohnehin nichts. Die Plattform zahlt einen bestimmten Anteil seines Umsatzes an die Musikrechteinhaber, dieser wird dann unter den Künstlerinnen entsprechend ihrer Hörerzahl aufgeteilt. Die Kleinsten sollen davon also nichts mehr bekommen, die Größeren dafür umso mehr. Man verdient also per Stream, wenn auch nur 0,35 Cent in Österreich, weltweit sogar weniger (Schätzungen zufolge). Generell ist aber recht undurchsichtig, wie das Geld im Musikgeschäft tatsächlich fließt.

Präventiv gegen KI-generierte Songs

Die „FT“ hält das für eine Kampfansage an KI-generierte Nummern. Setzen sich die Tools zum Erstellen solcher Songs erst einmal durch, könnten eine Menge davon auf Spotify landen – und noch mehr Künstler um ihr Geld bringen. Mit dem neuen Modell kann Spotify die wenig gehörten KI-Titel zumindest aus der finanziellen Gleichung streichen. Dass diesem Vorgehen auch kleine Künstler zum Opfer fallen, nimmt man wohl in Kauf. (evdin)

>> Zum „Kurier“-Artikel
>> Zum „Financial Times“-Artikel

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