Kommentar

Teodor Currentzis und ein Bekenntnis gegen den Krieg

Dirigent Teodor Currentzis
Dirigent Teodor CurrentzisClemens Fabry
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Wer darf in einem Oratorium mitsingen, in dem für den Frieden gebetet wird? Die Festwochen wollen ein Zeichen setzen und stoßen auf Kritik.

Kaum haben die Wiener Festwochen angekündigt, dass Teodor Currentzis im Juni im Burgtheater das „War Requiem“ von Benjamin Britten dirigieren wird, war ein Raunen zu vernehmen: Der Dirigent, man weiß es, hat sich im Fall des Kriegs in der Ukraine nicht deutlich genug positioniert. Sogar das Konzerthaus verzichtet mittlerweile auf den Kassenmagneten. Nur wenige Veranstalter diesseits der geistigen europäischen Brandmauer halten Currentzis noch die Stange. Nun versuchen die Festwochen, ein Zeichen zu setzen. Das „War Requiem“ ist eines der bewegendsten pazifistischen Statements der Ära nach 1945, komponiert ausdrücklich als Versöhnungsgeste, erstmals gesungen am Ort eines der brutalsten Luftangriffe der Nationalsozialisten, in Coventry. Der Komponist wünschte für die Uraufführung ausdrücklich auch einen Solisten aus dem besiegten Deutschland und eine Sängerin aus der Sowjetunion, die vom Alliierten längst zum Feind mutiert war: Dietrich Fischer-Dieskau erschien, Galina Wischnewskaja wurde von Moskau die Ausreise verweigert. Erst für die Schallplattenaufnahme im Jahr darauf, 1963, stand sie zur Verfügung.

»Der russischen Sängerin wurde die Teilnahme an der Uraufführung von Brittens „War Requiem“ 1962 verweigert. «

Schon damals war es also schwer, die Künstlerhand zum Friedensgruß zu reichen. Man sollte sich daran vielleicht erinnern in unseren Tagen. Soeben hat das Publikum im Wiener Musikverein den Atem angehalten, als in Franz Schmidts „Buch mit sieben Siegeln“ die Reiter auf feuerrotem, schwarzem und fahlem Ross Verwüstung, Hunger und Tod im Schützengraben brachten – wie viele haben da, als es wahrhaftig totenstill im Saal wurde, daran gedacht, dass wenige Monate nach der Uraufführung dieses Werks der Zweite Weltkrieg losbrach? Und was hätte der engagierte Pazifist Britten zur politischen Stimmungslage in Europa anno 2024 gesagt? Sein „War Requiem“ hatte er wohl als Bitte verstanden, es nicht wieder so weit kommen zu lassen. Alle sollten in sein Bekenntnis einstimmen. Damals herrschte „kalter Krieg“ und es waren die Russen, die eine gemeinsame künstlerische Botschaft verhinderten.

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