Türkei

Festnahme und Befragung in Istanbul: Österreichischer Präsident der Aleviten darf nicht ausreisen

Mehmet Ali Çankaya (M.) mit dem Vorsitzenden der Föderation der Aleviten-Gemeinden in Österreich, Özgür Turak (r.).
Mehmet Ali Çankaya (M.) mit dem Vorsitzenden der Föderation der Aleviten-Gemeinden in Österreich, Özgür Turak (r.).Turak
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Der österreichische Staatsbürger Mehmet Ali Çankaya wurde auf dem Flughafen stundenlang festgehalten, nun darf er nicht nach Wien zurück. Ihm werde Terrorpropaganda vorgeworfen.

Mehmet Ali Çankaya fand sich rechtzeitig vor dem Abflug auf dem Istanbuler Flughafen ein. Der Check-in verlief problemlos, bei der Passkontrolle aber wurden die Beamten stutzig. Es gebe ein Problem, sagte ihm der Polizist, er möge kurz warten. „Dann“, erzählt Çankaya, „wurde ich abgeführt.“ In der Polizeistation direkt auf dem Flughafen habe man ihm die Fingerabdrücke abgenommen, ihn fotografiert. Erst später habe er erfahren, worum es eigentlich gehe: Jemand habe sich über Çankaya beschwert. Es werde gegen ihn ermittelt.

Der Österreicher Çankaya ist für einen privaten Aufenthalt in die Türkei gereist. Er betreibt in Wien mehrere Bäckereien und hat 15 Jahre lang als Präsident der Föderation der Aleviten-Gemeinden in Österreich fungiert – mittlerweile ist er Ehrenpräsident. Im Lauf der Befragung am Montag habe er zwar nicht erfahren, wer genau sich über ihn beschwert habe, aber dass es konkret um eine Pressemitteilung gehe, so Çankaya zur „Presse“.

Linke Allianz als Gegengeweicht zur AKP

Teile der alevitischen Glaubensgemeinschaft haben sich während des türkischen Wahlkampfs im vergangenen Jahr mit der linksgerichteten Allianz Arbeit und Freiheit solidarisiert. Prinzipiell versteht sich die linke Allianz, der mehrere Arbeiterparteien und die prokurdische HDP angehören, als Gegengewicht zur konservativ-islamischen AKP sowie der Oppositionsallianz Bündnis der Nation mit den Sozialdemokraten und nationalistischen Parteien. Die autoritäre Politik des Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, wird von der linken Allianz scharf kritisiert.

Gemeinsam mit anderen Vereinen haben auch alevitische Gruppen im Vorfeld der türkischen Präsidentschaftswahl Pressekonferenzen in Europa veranstaltet, auch gibt es Veranstaltungen mit Blick auf die kommende Kommunalwahl in der Türkei. Eine dieser Pressekonferenzen samt Presseaussendung fand in Köln statt. Çankaya wird zur Last gelegt, mit dieser Veranstaltung in Verbindung zu stehen – mehr Details kenne er jedoch nicht, auch könne er nicht sagen, ob er tatsächlich zugegen war. Er wisse lediglich, dass ihm nun Terrorpropaganda vorgeworfen werde. Er weist die Anschuldigungen als „absurd“ und „konstruiert“ zurück. Als Vertreter der alevitischen Gemeinde habe er in Köln mehrere Veranstaltungen besucht, auch, weil sich eine alevitische Dachorganisation in Köln befinde. Die alevitische Glaubensgemeinschaft ist zweigeteilt und hat auch zwei anerkannte Vertretungen in Österreich; die Gemeinschaft spaltet sich in der Frage, wie nah sie dem Islam steht. Die Frei-Aleviten, die auch Çankaya vertritt, definieren sich als komplett eigenständig vom Islam.

Berufung in Planung

„Mit tiefer Bestürzung“ habe man von der „rechtswidrigen“ Festnahme des Ehrenpräsidenten erfahren, heißt es indessen in einer Presseaussendung der Frei-Aleviten. Çankaya sei wegen seines Engagements nach der Erdbebenkatastrophe in der Türkei ins Visier der Behörden geraten. Die Frei-Aleviten hätten durch Spenden ein Containerdorf in der Provinz Adıyaman errichtet, Çankaya habe in den vergangenen Tagen besagtes Dorf besucht. Zusätzlich zu der Veranstaltung in Köln würden die türkischen Behörden ihm „eine nicht näher spezifizierte Aussage in einer seiner Reden“ in Adiyaman zur Last legen.

Nach den Befragungen und nach langem Warten am Flughafen habe er widersprüchliche Informationen erhalten, sagt Çankaya. Zunächst hieß es, er dürfe gehen, dann jedoch, dass er zwar den Flughafen verlassen könne, nicht aber das Land. Derzeit weilt Çankaya in Istanbul und bereitet eine Berufung gegen das gegen ihn verhängte Ausreiseverbot vor.

Aus dem Außenministerium in Wien heißt es, dass sich das österreichische Generalkonsulat Istanbul zur Klärung der Hintergründe umgehend mit den zuständigen türkischen Behörden in Verbindung gesetzt habe. „Über den Grund der Anhaltung und Ausreiseverweigerung liegen keine gesicherten Informationen vor“, heißt es weiter.

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