Staffel drei

Serie „Sløborn“: Wer wärst du in einer neuen Welt?

ZDF
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Die ZDFneo-Serie „Sløborn“, die vom Überleben in einer Pandemie erzählt, schien Corona vorwegzunehmen. Nun ist Staffel drei zu sehen – und erinnert in ihren Bildern und ihrer Message erstaunlich an eine andere apokalyptische Serie.

Als im Juli 2020 die erste Staffel der ZDFneo-Serie Sløborn über die TV-Schirme lief, sorgte das für Gänsehaut. Es schien, als hätten die Macher der Serie die Anfang des Jahres ausgebrochene Corona-Pandemie vorweggenommen: das Aufkommen der todbringenden „Taubengrippe“, Menschen mit Masken, Verunsicherung weit und breit. Der Sender zögerte, entschied sich aber doch für die Ausstrahlung der Episoden, die lange vor Bekanntwerden der realen Pandemie abgedreht worden waren. Bis heute ist das von Christian Alvart entwickelte Sløborn die erfolgreichste selbst in Auftrag gegebene ZDFneo-Serie in der Mediathek des Senders.

Kein Wunder, Sløborn überzeugt einerseits durch eine Reihe überzeugender Jungschauspieler. Egal ob Hauptdarstellerin Emily Kusche als tapfere Evelin oder Aaron Hilmer (bekannt auch aus „Im Westen nichts Neues“) als diabolischer Devid, Adrian Grünewald als mitunter unheimlicher Hermann oder Lea van Acken als durchtriebene Ella – hier zeigt sich eindrucksvoll die Bedeutung des richtigen Castings (nicht umsonst adeln die Oscars in Zukunft auch die Casting-Verantwortlichen). Auch weil neben den jungen, großteils noch unbekannten Gesichtern Altstars wie Wotan Wilke Möhring (als Evelins zwiespältiger Mediziner-Vater) und Alexander Scheer (als gescheiterter Schriftsteller) glänzen.

Wenn der Staat die Macht verliert

Die ersten beiden Staffeln der Serie handelten vorwiegend auf der fiktiven Nordsee-Insel Sløborn. Staffel eins zeigte beeindruckend, was auf einer isolierten Insel passieren kann, wenn eine Seuche die Menschheit heimsucht. Staffel zwei widmete sich dem Überlebenskampf vier Monate nach Beginn der Katastrophe – vor allem aus der Sicht Jugendlicher, die mit widrigen Bedingungen wie dem Wegfall der Elektrizität zurande kommen müssen.

In der abschließenden dritten Staffel, die seit Anfang Februar in der ZDF-Mediathek abrufbar ist, spielt die Insel nur mehr eine untergeordnete Rolle. Evelin und ihre jüngeren Geschwister hat es mittlerweile auf das Festland verschlagen. Dort verbarrikadieren sie sich mit Gleichgesinnten in einem Krankenhaus, das in eine Festung umgerüstet wurde. Zufriedenstellend ist das für Evelin und ihre Gefährten aber nicht, vor allem Evelin und ihr ältester Bruder wollen unbedingt Vater und Mutter finden. Das behagt aber nicht jedem Angehörigen des „Konzils“, wie sich der Entscheidungen treffende Rat der Krankenhaus-Bewohner nennt. Überlebensnotwendiges Wissen könnte verraten werden, sollte jemand das Schutz bietende Gebäude verlassen.

Nicht alles, was in Sløborn geschieht, mag ganz zu Ende gedacht sein, dennoch überzeugt die Serie durch ein erschreckend realistisches Szenario. Wenn der Staat die Macht über sein Territorium verliert, bilden die Überlebenden Gruppen, die mehr oder weniger freundlich, selten demokratisch und meist bewaffnet sind. Entweder, um aggressiv und mit Gewalt zu lebensnotwendigen Dingen zu kommen – oder um sich vor ersteren zu schützen.

Parallelen mit „The Walking Dead“

Die abschließende Staffel erinnert visuell wohl nicht unbeabsichtigt sehr stark an die postapokalyptische Zombie-Serie „The Walking Dead“. Wenn man einen Mann mit Pferd durch die leere Großstadt reiten sieht, denkt man unweigerlich an Rick Grimes, den Helden aus der US-Erfolgsserie. Auch die Bilder langer, freier Landstraßen, begrenzt durch bedrohliche Wälder, man kennt sie.

Sind schon in „The Walking Dead“ nicht die Zombies, sondern die Überlebenden die größte Gefahr, so vermittelt Sløborn eine ähnliche Botschaft. Wenn der Deckmantel der Zivilisation fällt, stirbt die Mitmenschlichkeit zuerst. Der Mensch ist des Menschen größter Feind. Und auch wenn genügend Platz für alle da wäre (der Großteil der Menschheit ist der „Taubengrippe“ zum Opfer gefallen), ein Grund, jemand anderem etwas wegzunehmen, findet sich immer. Dennoch ist Sløborn keine pessimistische Serie. Freundschaft, Familie, Einfühlsamkeit und moralische Werte spielen sehr wohl eine Rolle, auch wenn die Welt, wie man sie gekannt hat, von heute auf morgen verschwindet.

Sløborn zeigt die gesellschaftliche Spaltung, die nach dem ersten reflexhaften Zusammenrücken stattfindet. Hier die „1804er-Bewegung“ (im Jahr 1804 hatte die Welt nur eine Milliarde Einwohner), die dagegen ankämpft, dass alles wird, wie es zuvor war. Dort die verbliebene Staatsmacht. Was ist wahr, was ist Propaganda? Dass mit jedem Mittel um Impfstoffe gekämpft wird, und dessen Instrumentalisierung nur einen weiteren Schritt davon entfernt liegt, kennt man aus den vergangenen Jahren. Dennoch hält die Serie dem Seher einen Spiegel vor und man ertappt sich immer wieder bei der Frage: Wer wäre ich in dieser neuen Welt?

Alle drei Staffeln von„Sløborn“ sind in der ZDF-Mediathek abrufbar.

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